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'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

Titel: 'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Jochimsen
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alten Sachen und beauftragte Tom dann, nach »streng geheimen, schrecklichen Dokumenten« zu fahnden. Er brauchte keine halbe Stunde, und weil er auch noch ein paar kompromittierende Urlaubsfotos von mir ausgrub, fiel die Provision üppig aus.
    Aber so richtig aufregend war das nicht, Kalle Blomquist, TKKG und Die drei ??? haben einfach andere Maßstäbe gesetzt, und ich fühlte mich in der Pflicht.
    »Weißt du, Tom«, schlug ich deshalb vor, »wenn das Verbrechen nicht zu dir kommt, musst du es vielleicht suchen. Es kann hinter jeder Ecke lauern. Geh raus, beschatte Verdächtige ...«
    Ich weiß nicht, welcher Teufel mich ritt, aber mein Blick fiel auf die Straßenlaterne vor unserem Haus, und da hängt seit Langem ein vergilbtes Wahlplakat von einem unserer Stadträte, der a) doof und b) in einer schlimmen Partei ist und außerdem c) nur einen Block entfernt wohnt.
    »Der Mann auf dem Poster da, zum Beispiel«, sagte ich, »der kommt mir ... seltsam vor.«
    »Ich kümmer mich um den Fall«, sagte Piratdeketiv Tom und weg war er.
    Und ich war zerknirscht. So was darf man einfach nicht tun, den eigenen Sohn zum Spitzel machen ...
    Als Tom wiederkam und ich gerade zu einem erzieherischen Canossagang antreten wollte, sagte er:
    »Sorry, Papa, die Sache ist sauber. Ich habe nur rausgefunden, dass die Frau böse ist, weil ihr Mann das Plakat nicht abhängt.«
    »Gute Arbeit, Tom. Aber jetzt bist du raus aus dem Fall. Versprochen?«
    »Na ja«, druckste er herum, »er hat mir einen Euro geboten, wenn ich das Poster abhänge, aber ...«
    »Aber was?«
    »Von seiner Frau kriege ich 1,50 Euro, wenn ich’s hängen lass und ... na ja, eine Brille und einen Schnurrbart und so draufmal.«
    Guck an, dachte ich, bis eben noch unterbeschäftigt und jetzt gleich zwei Auftraggeber.
    »Was soll ich denn jetzt machen?«, fragte er.
    »Das musst du selbst entscheiden.« (So was sage ich immer, wenn ich keine Ahnung habe.)
    »Beides geht nicht, oder?«
    »Wohl kaum.«
    Was soll ich sagen? Tom hat schweren Herzens das Mandat niedergelegt. Trotzdem war das Plakat kurz darauf verschwunden, und im Briefkasten lagen 2,50 Euro Honorar.
    Tom hat sich davon einen neuen Säbel gekauft. Die »Deketei« hat er geschlossen, er ist jetzt nur noch Pirat. Ist eh der ehrlichere Beruf.

Zwei Wochen im Herbst. Ein Tagebuch
    5.10. Um den Schulweg für die kommenden vierzehn Tage sicherer zu gestalten, schrauben zwei Männer eine elektronische Anzeigetafel an die Straßenlaterne vor unserem Haus, auf der man ablesen kann, wie schnell man durch die Zone 30 brettert. »Freiwillig langsam«, lautet das Stichwort. Ich bin begeistert, dass der Staat mal was macht in meiner direkten Umgebung. Bei den ersten beiden Autos, die vorbeifahren, zeigt die Tafel »68« beziehungsweise »82« km/h an. Meine Begeisterung lässt nach.
    6.10. Mein Sohn Tom findet heraus, dass die Anzeigetafel auch die Geschwindigkeit von Radfahrern misst. »Auf dem Heimweg bin ich 38 gefahren!«, eröffnet er mir stolz beim Mittagessen. Den gesamten Nachmittag spielen er und seine Freunde »Sprintankunft bei der Tour de France«. Meine Begeisterung nähert sich dem Nullpunkt.
    7.10. Weil Tom sein Taschengeld bereits ausgegeben hat, wackelt er seit Tagen wie ein Bekloppter an seinen verbliebenen Milchzähnen herum. (Alle Spieler der rumänischen Nationalmannschaft namentlich kennen, aber an die Zahnfee glauben! Ich werde noch wahnsinnig!)
    »Wer hat diesen Käse eigentlich aufgebracht, dass es für jeden ausgefallenen Zahn Geld gibt?«, frage ich brüllend.
    »Du«, sagt Tom.
    8.10. Finde meine Kneifzange und einen Handspiegel auf Toms Schreibtisch; ich sage nichts, sondern zahle bereitwillig im Voraus, um Schlimmeres zu verhüten. (Morgen ist mein freier Tag; ich werde mit einer Freundin ins Kino gehen und für ein paar Stunden an was anderes denken!)
    9.10. Gehe doch nicht ins Kino, weil ich vergessen habe, dass meine Freundin kürzlich ein Kind bekommen hat. »Die Kleine kriegt gerade Zähne«, sagt sie, »es ist die Hölle, ich muss leider absagen.«
    Ich sage ihr, dass sie froh sein soll und dass das Verlieren der Zähne viel stressiger sei als das Kriegen – sie glaubt mir kein Wort.
    10.10. Eine Frau mit Rad und Kinderanhänger strampelt an der Geschwindigkeitsanzeigetafel vor unserem Haus vorbei. Aus dem Anhänger ertönt eine quäkende Kinderstimme: »Gib Stoff, Mama. Die Mutter von Kevin hat 41 geschafft!«
    11.10. Tom will einen Taschengeldvorschuss. Ich lehne ab. Er fragt nach

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