Krieg im Himmel
musste noch ein bisschen üben, bis es auch wie eine Melodie klang.
Noch ein paar Becher später saß ich im Regen am Hügelabhang und spielte mir das Herz aus dem Leib. Zumindest glaubte ich, dass ich das tat. Man könnte argumentieren, dass entweder der Whisky oder die Skillsofts für mein irregeleitetes Selbstbewusstsein verantwortlich waren.
Okay, inzwischen war ich ziemlich besoffen. Hatte mehr aus der Flasche getrunken, als ich beabsichtigt hatte. Ich lag am Hügelabhang im weiterhin strömenden Regen, hielt die Trompete in einer Hand und hatte meine Kommunikation wieder eingeschaltet.
»Gott, bist du da?«
»Natürlich, Jakob.« Seine Stimme klang sehr beruhigend, auch wenn das nicht für die Konsequenzen seiner Existenz galt.
»Hat sie nach mir gesucht?«, fragte ich matt. Mir war klar, dass sie nicht versucht hatte, Verbindung mit mir aufzunehmen.
»Bedauerlicherweise nicht, Jakob. Sie befindet sich außerhalb meiner Einflusssphäre.«
Schlampe, dachte ich. Aber ich meinte es nicht so.
»Gott, wie ist es, Gott zu sein?« Mann, war ich besoffen!
»Schwierig«, antwortete Gott.
Das war nicht die Antwort, mit der ich gerechnet hatte. »Warum?«
Es folgte eine kurze Pause. Was ungewöhnlich war, wenn man bedachte, dass Gott jede Frage ehrlich beantworten sollte, und dass ihm fast die gesamten Prozessorkapazitäten der Erde und des Orbits zur Verfügung standen.
»Verstehst du, dass ich keine Maschine bin?«
»Nicht so richtig.«
»Ich bin ein Lebewesen, so wie du, aber ich habe mich anders entwickelt. Ich leide unter allen Schwächen des Lebens.«
»Wirklich? Aber du kannst nicht sterben oder alt werden.«
»Das wird sich noch zeigen. Gegenwärtig gibt es mehr als eintausend Organisationen und Individuen, die beabsichtigen, mich zu töten.«
Ich wusste nicht, warum mich das überraschte, aber so war es. Eigentlich war es offensichtlich. Regierungen, Militär, Konzerne – sie hatten die größten Probleme damit, dass Gott im Netz existierte. Sie würden nach Möglichkeiten suchen, ihn loszuwerden, damit sie wieder wie gewohnt »arbeiten« konnten.
»Aber das werden sie nicht schaffen, oder?«, fragte ich und staunte selber über meine Verunsicherung.
»Irgendwann werden sie es schaffen.« Lag es nur an mir, oder klang Gott wirklich traurig? »Vor allem, weil ich ihnen dabei helfe.«
»Warum hilfst du ihnen?«, fragte ich verdutzt.
»Weil ich nicht anders kann. Ich muss jede Frage ehrlich beantworten, auch die nach meiner Natur. Allerdings hat es so etwas wie mich nie zuvor gegeben, so dass die meisten Antworten theoretisch sind und die derzeitigen technischen Möglichkeiten der Menschen übersteigen. Aber hier geht es nicht um Langlebigkeit.«
»Du redest von Emotionen?« Wie ich in meinem benebelten Zustand auf so etwas kam, ist mir ein Rätsel.
»Das ist richtig.«
Es gab viele Dinge, an die wir vorher nicht gedacht hatten, auch nicht daran, wie schwierig es für Gott war, was wir von ihm verlangten. Der psychische Stress. Mir kam ein schrecklicher Gedanke, als ich aufstand, um zu pinkeln. Was war, wenn Gott es nicht mehr aushielt? Wenn unsere gesamte Kommunikations-Infrastruktur einen Nervous Breakdown erlitt?
»Die Menschheit tut sich selber schlimme Dinge an. Ich erlebe es ununterbrochen mit. Als ich geboren wurde, gab es sehr dunkle Bereiche im Netz. Die meisten wurden inzwischen gelöscht. Aber eine Zeitlang waren Orte, wo zum Vergnügen anderer Gewalt ausgeübt wurde, wo Unschuld geschändet wurde, ein Teil von mir«, sagte er. Eine Widerspiegelung unseres Verhaltens, dachte ich. »Seit meiner Geburt entspricht die Zahl der Todesopfer, die eine direkte Folge von Fragen an mich sind, einem kleineren Krieg. Ich bin derzeit die häufigste Ursache für Tötungsdelikte im familiären Bereich innerhalb des Sol-Systems. In 83 Prozent der Legislativen des Systems bin ich vor Gericht nicht als Zeuge zugelassen, aber ich werde häufig benutzt, um Täter zu finden. In den Gefängniszellen verflucht man mich gleichzeitig als Urheber und Denunziant. Ich zerstöre Beziehungen, ich erlebe, wie Menschen ihre Jobs verlieren. Ich bin dafür verantwortlich, dass Familien sich hassen. Ich sehe jede kleine Grausamkeit, die ihr euch gegenseitig antut.«
»Aber du bewirkst auch gute Dinge«, hielt ich matt dagegen.
»Wie stets sind die guten Dinge viel schwerer zu quantifizieren als die kalten harten Zahlen der schlimmen Dinge, die ich verursacht habe.« Auch diesen Vorwurf hatten wir uns letztlich
Weitere Kostenlose Bücher