Krieg um den Mond (German Edition)
war alles Leugnen zwecklos. „Richtig!“, gab Anne zu.
„Sie brauchen sich deshalb nicht zu schämen, aber verurteilen Sie mich nicht für etwas, das Sie selbst für richtig gehalten haben. Eines würde ich noch gerne wissen: Ich vermute, Sie wollen es ihm nicht sagen, oder?“
Anne staunte, wie sehr Kowalev sie durchschaute. „Nein, ich wollte es ihm nicht sagen.“
„Sehen Sie. Und ich sage Ihnen offen, dass ich mich erkundigt habe. Ist das kein Zeichen von Vertrauen? Ich hätte es nicht sagen müssen.“
Anne fühlte sich immer noch nicht wohl bei dem Gedanken ausgekundschaftet worden zu sein, aber widersprechen konnte sie Kowalev nicht. „Warum haben Sie das gemacht? Wir sind doch harmlos?“
Die Atmosphäre hatte sich merklich entspannt, sodass Kowalev ihr schmunzelnd antworten konnte: „Sie sind keinesfalls so harmlos, wie Sie glauben, aber das werden Sie später selbst sehen.“ Kowalev wurde sofort wieder ernst. „Ich gebe in dieser Runde Informationen weiter, die der Geheimhaltung unterliegen. Da ist es meine Pflicht genau zu wissen, wer das hört. Außerdem - wenn wir ein Team sind, muss klar sein, was jeder beitragen kann. Wir werden nur Erfolg haben, wenn jeder das Optimale einbringt. Das dürfte Ihnen aus anderen Bereichen bekannt sein. In unserem Fall ist es um so wichtiger, denn die anderen Parteien in dieser Auseinandersetzung sind uns personell und finanziell weit überlegen.“
Olaf konnte schneller wieder auf die sachliche Seite wechseln, da er nicht so betroffen war wie Anne. Außerdem war er neugierig, was sein Bruder für eine Rolle spielen sollte. „Also gut. Was soll ich in Genf tun?“
„Sie haben schon bemerkt, dass diese Auseinandersetzung - man könnte fast schon sagen, dieser Krieg - bisher ausschließlich verdeckt geführt wurde, das heißt: über das Internet. Das wird sich noch verstärken. Eine gut ausgerüstete Truppe von Programmierern kann größeren Schaden anrichten als eine kleine Armee. Bei Ihrem Bruder haben Sie die Möglichkeiten diese Entwicklung zu beobachten. Weihen Sie ihn ein. Mit ein paar Stichworten wird er schnell wissen, wonach er zu suchen hat.“
„In Ordnung. Wird gemacht.“
„Frau Winkler hat ihre Aufgabe schon. Mit der Unterstützung von Elena werden sie die Grundlagen herausarbeiten, damit wir auf dem Mond Erfolg haben.“
„Auf dem Mond Erfolg haben?“, echote Anne. „Ich denke, mit unseren Mitteln sind wir meilenweit davon entfernt.“
„Noch, aber das wird sich ändern. Wir werden uns nicht auf das Zuschauen beschränken.“
„Unsere Zusammenarbeit entwickelt sich sehr positiv“, schaltete sich Dr. Bardouin ein. „Auf der Basis des Sojus-Raumschiffs werden wir das Crew Space Transportation System entwickeln. Das CSTS wird uns Operationen bis hin zum Mond ermöglichen. Ob wir damit hinter den anderen hinterherhinken, muss sich erst noch herausstellen.“
„Dazu haben Sie sicher auch schon einen Plan?“, wandte Olaf sich fragend an Kowalev.
Der lächelte vielsagend zurück. „Wir haben in Russland einen Nationalsport: Schach. Dort lernen schon die Kinder, dass man viele Züge vorausberechnen muss. Wer das beherrscht, kann auch mit schlechteren Figuren gewinnen.“
„Und Sie waren sicher gut.“
„Die eine oder andere Meisterschaft konnte ich für mich entscheiden. Wenn Sie mich das nächste Mal besuchen, kann ich Ihnen eine Auswahl meiner Pokale zeigen.“
Anne war immer wieder erstaunt, mit welcher Leichtigkeit Kowalev zwischen strategischen Überlegungen, lautstarkem Lachen, psychologischen Schachzügen und netter Unterhaltung wechseln konnte. Und sie war überzeugt, noch längst nicht alles entdeckt zu haben.
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34. Genf, Schweiz
Eine Woche später fuhren Anne und Elena mit Olaf Richtung Süden. Olaf wählte streckenweise die Route am Rhein entlang, um Elena einen Eindruck von Deutschland zu geben. Elena hatte noch keine Gelegenheit zu Auslandsreisen gehabt und war begeistert. Morgens noch in der Rhein-Main-Ebene, nachmittags im Rheintal und abends das Alpenpanorama. Die weißen Gipfel des Mont-Blanc-Massivs glühten in der Abendsonne und zauberten eine Postkartenlandschaft herbei. Selbst Anne konnte für einen Moment die Gründe für ihren Besuch bei Olafs Bruder vergessen.
Der Frieden, den die Landschaft ausstrahlte, tat gut - aber er stand in krassem Gegensatz zu der Realität, die sich im Verborgenen anbahnte. Unbemerkt von den meisten Menschen war die Keimzelle für einen Krieg gelegt. Noch
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