Krieg um den Mond (German Edition)
England hat ebenfalls eine intensive Überwachung, so dass sich als bestes Land Italien anbietet. Daran denkt man zuletzt.“
„Und warum denkst du als erstes daran?“
„Italien hat eine starke chinesische Kolonie, und zwar Festland-Chinesen, nicht Chinesen aus Taiwan.“
„Und was machen die da?“, wollte Anne wissen.
„Kleidung.“
„Kleidung?“
„Wenn du es so nennen willst, haben die Chinesen nach Italien outgesourct. Warum in China nähen und die Sachen nach Europa bringen, wenn man genauso gut die Chinesen nach Europa bringen kann. Dann hat man weniger Probleme mit dem Zoll und kann ein schönes Etikett anbringen, auf dem ‘Made in Italy’ steht. Italienische Kleidung bringt einen besseren Preis, und ob die Nähmaschine in einer chinesischen Hinterhof-Fabrik steht oder in einer bei Neapel, ist der ziemlich egal. Die Italiener haben sich inzwischen damit arrangiert. Manche Gemeinden leben gut von chinesischem Geld. Fall es eine Überwachung gibt, findet sie nur oberflächlich statt. Und was das Internet angeht: Die Anbindung ist gut und eine Isolierung unmöglich.“
„Raffiniert. Was werden die Amerikaner jetzt tun?“
„Vermutlich einlenken, wenigstens kurzfristig.“
„Du meinst, weil sie die Angriffe kaum abwehren können und der Schaden sonst zu groß wird.“
„Genau. Im Internet kann man niemand wirklich isolieren und gegen solche professionellen Angriffe wie die der Chinesen kann man sich nur begrenzt schützen. Irgendeinen Weg gibt es immer, wie wir gesehen haben. Ein Krieg auf dieser Ebene wird für die USA zu teuer. Die amerikanische Wirtschaft ist auf das Internet angewiesen. Alles ist vernetzt und baut auf reibungslose Informationsketten auf. Wenn man einige strategische Firmen blockiert, steht die halbe Industrie still, auch die Waffenindustrie. Bei den Chinesen ist das anders. Die Produktion ist bei weitem nicht so vernetzt. Außerdem ist das chinesische Internet zu großen Teilen vom weltweiten Internet abgeschottet, damit die Regierung es besser überwachen kann. Dadurch kann man es aber auch nicht so schnell angreifen.“
„Also treffen die Chinesen die Amerikaner wesentlich härter als umgekehrt. Trotzdem werden die nicht klein beigeben.“
„Nein, werden sie nicht. Es wird eine nächste Runde geben.“
„Wann?“
„Kann man nicht genau sagen. Schätze in ein paar Wochen, von Sticheleien zwischendurch abgesehen.“
„Solange können wir nicht hierbleiben“, meinte Anne, „auch wenn ich das gerne würde.“
„Ja, schade. Aber ich halte euch auf dem Laufenden.“
Am nächsten Tag packten Anne, Elena und Olaf ihre Sachen. Besonders Elena fiel es schwer, was nicht nur an den Bergen und der schönen Aussicht lag. Anne und Olaf saßen eine ganze Zeit im Auto, bis Elena endlich auch kam.
„Wir waren bestimmt nicht das letzte Mal hier“, versuchte Anne sie zu trösten. „Und mit der Web-Kamera könnt ihr euch jeden Tag sehen.“
„Das Internet kann viel, aber in den Arm nehmen kann man sich über Internet nicht.“
~~~~~
37. Houston, Texas
Mit seinem Brieföffner, der der Tragfläche eines Kampfflugzeugs nachempfunden war, öffnete Gordon die Post. Papierpost war durch den regen E-Mail-Verkehr selten geworden, aber für manche Angelegenheiten war Papier nach wie vor am besten geeignet. Das betraf auch diesen Brief, der in einem Umschlag aus spürbar teurem Material steckte. Er kam von seinem Anwalt und Gordon wusste, was darin stand. Er wartete darauf, seit dem er vor Monaten seine persönliche Bilanz gezogen hatte.
Dabei war er vorgegangen wie bei einem ganz normalen Projekt, hatte auf die eine Seite des Blattes Pluspunkte und auf der anderen Seite Negativpunkte aufgelistet und danach eine Entscheidung getroffen. Die Pluspunkt-Liste war extrem kurz gewesen: „Wäscht meine Wäsche“ und „putzt mein Haus“. Selbst diese wenigen Punkte besaßen noch Einschränkungen. Die meiste Wäsche brachte Amanda in die Wäscherei und den größten Teil des Hauses reinigte die Putzfrau. Die Negativ-Liste war deutlich länger: „Lebt auf meine Kosten“, „nörgelt dauernd herum“, „redet nur über den Klatsch aus ihren Frauengruppen“, „Sex langweilig“ und und und.
Am Ende hatte Gordon einen Strich unter die Liste gezogen und unter die Überschrift „Bilanz“ geschrieben: „Wenig Nutzen - hohe Kosten“.
Ergebnis: „Schnellstmöglich beenden!“
Natürlich kostete eine Scheidung eine Stange Geld, aber etwas ähnliches kannte er
Weitere Kostenlose Bücher