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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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den Befehl erhalten, die Barken anzuzünden, und bei dieser Gelegenheit eine große Geldsumme erhalten, die er in der Tasche trug. Als er die Menschenmenge erblickte, ließ er halten.
    »Was will das Volk?« schrie er die Leute an, welche sich schüchtern der Droschke näherten. »Was ist das für Volk?« fragte er sie.
    »Sie wollten nur die Ankündigung hören, Graf«, sagte der Mann im Friesmantel. »Es sind keine Aufrührer!«
    »Der Graf ist noch hier und wird Anordnungen in bezug auf euch treffen!« sagte der Polizeimeister. »Vorwärts!« rief er dem Kutscher zu. Die Leute blieben stehen, drängten sich um diejenigen, welche gehört hatten, was der Beamte gesprochen hatte, und blickten der Droschke nach. Der Polizeimeister aber blickte sich ängstlich um, rief dem Kutscher etwas zu, worauf die Pferde rascher davonrannten.
    »Das ist Betrug, Kinder!« schrie die Stimme des hochgewachsenen Burschen. »Laßt ihn nicht fort, Kinder! Er soll Rechenschaft geben! Haltet ihn! Haltet!« schrien verschiedene Stimmen, und das Volk lief der Droschke nach. Die Menge bewegte sich lärmend nach der Lubjankastraße zu.
    »Was soll das heißen? Die Herren und die Kaufleute sind davongefahren, und wir gehen hier zugrunde! Sind wir etwa Hunde?« schrien verschiedene Stimmen aus der Menge.

197
    Am Abend des 1. September kehrte Graf Rostoptschin, nach seiner Begrüßung mit Kutusow, erzürnt und beleidigt darüber, daß man ihn nicht zum Kriegsrat eingeladen hatte, nach Moskau zurück. Nachdem er zu Abend gespeist hatte, legte er sich angekleidet auf einen Diwan, und um ein Uhr nachts wurde er von einem Kurier geweckt, der ihm einen Brief von Kutusow brachte. Der Brief enthielt eine Aufforderung, einige Polizisten zu senden, um die durchmarschierenden Truppen zu führen, die sich nach Räsan zurückziehen werden. Diese Nachricht war Rostoptschin nicht neu. Alle Generale, welche er auf der Durchreise gesehen hatte, hatten erklärt, es sei unmöglich, noch eine Schlacht zu schlagen. Dennoch erschütterte ihn diese Nachricht, die er plötzlich um Mitternacht in Form eines einfachen Befehls von Kutusow erhielt, aufs tiefste.
    In der Folge äußerte Rostoptschin in seinen Memoiren mehrmals, er habe damals zwei wichtige Zwecke verfolgt, die Ruhe Moskaus zu sichern und die Einwohner hinauszuführen.
    Wenn man diese beiden Zwecke anerkennen will, so erscheint Rostoptschin vorwurfsfrei. Warum wurden aus Moskau die Heiligtümer, Waffen, Patronen, Pulver, Getreidevorräte nicht fortgeführt? Warum wurden Tausende von Einwohnern getäuscht mit der Behauptung, Moskau werde nicht übergeben werden? – »Deshalb, um die Ruhe der Residenz zu sichern!« lautete die Erklärung, die Rostoptschin gab. Man braucht nur zuzugeben, daß die öffentliche Ruhe bedroht sei, und jede Maßregel erscheint gerechtfertigt. Aber warum fürchtete Rostoptschin für die öffentliche Ruhe im Jahre 1812? Welchen Anlaß hatte er, an eine Neigung zum Aufstand zu glauben? Die Einwohner waren geflohen, die abziehenden Truppen erfüllten Moskau. Warum sollte infolgedessen das Volk Au stände anregen? Weder in Moskau noch im übrigen Rußland ereignete sich beim Einmarsch des Feindes irgend etwas wie ein Aufstand. Am 1. und 2. September waren noch mehr als zehntausend Menschen in Moskau geblieben und es war nichts vorgekommen außer der Ansammlung einer Menschenmenge im Hof des Gouverneurs, welche er selbst veranlaßt hatte. Es wäre also jedenfalls noch weniger ein Volksaufstand zu erwarten gewesen, wenn Rostoptschin nach der Schlacht bei Borodino, wo die Räumung der Stadt schon vorauszusehen war, Anstalten getroffen hätte, um alle Heiligtümer, Kriegsvorräte und Kassen fortzuschaffen, und dem Volk offen angekündigt hätte, daß die Stadt geräumt werde.
    Rostoptschin, ein hitziger, sanguinischer Mensch, hatte nicht den geringsten Begriff von dem Volk, das er zu regieren meinte, und glaubte es mit seinen Ankündigungen zu lenken. Die schöne Rolle eines Lenkers der Volksgefühle gefiel Rostoptschin so sehr, daß die Notwendigkeit, sie aufzugeben und Moskau ohne jeden heroischen Effekt zu verlassen, ihn ganz aus der Fassung brachte. Obgleich er wußte, daß Moskau aufgegeben werden mußte, so tat er doch nichts in bezug darauf. Die Einwohner zogen gegen seinen Wunsch davon, er war nur mit der Rolle beschäftigt, welche er sich vorbehalten hatte.
    Aber als die Ereignisse ihren wirklichen, historischen Umfang annahmen, als die Worte sich ungenügend erwiesen, als die

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