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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Bevölkerung ihre Habe verließ und aus Moskau hinausströmte, verlor seine Rolle allen Sinn, er fühlte sich allein, schwach und verwirrt, ohne Boden unter den Füßen.
    Diese ganze Nacht erteilte Rostoptschin Befehle, welche von allen Seiten von ihm verlangt wurden. Seine Umgebung hatte ihn nie so finster und reizbar gesehen.
    »Nun, sage diesem Dummkopf«, antwortete er auf eine Frage aus dem Domänenhof, »er soll hierbleiben und seine Papiere bewachen!«
    »Was fragst du für Unsinn über die Feuerwehr? Sie hat doch Pferde, also kann sie nach Wladimir fahren, damit sie nicht den Franzosen in die Hände fällt.«
    »Erlaucht«, kam der Aufseher vom Irrenhaus, »was befehlen Sie wegen der Irren?«
    »Was ich befehle? Lasse sie alle laufen, wohin sie wollen! Wenn bei uns die Verrückten die Armee kommandieren, so ist es so der Wille Gottes.« Auf die Frage nach den Verbrechern im Gefängnis schrie der Graf zornig den Direktor an: »Was, soll ich dir zwei Bataillone zur Bedeckung geben! Die sind nicht da! Lasse sie alle laufen!«
    »Erlaucht, es sind auch politische darunter, Mjeschkow Wereschtschagin.« »Wereschtschagin? Ist er noch nicht gehängt?« rief Rostoptschin. »Führe ihn her!«

198
    Um neun Uhr morgens, als die Truppen schon durch Moskau zogen, kam niemand mehr, um Befehle vom Grafen zu verlangen. Alles, was flüchten konnte, floh von selbst, diejenigen, welche zurückblieben, entschieden selbst, was sie zu tun hatten. Der Graf hatte Pferde verlangt, um nach Sokolniki zu fahren, und saß gelb und schweigend in seinem Kabinett.
    Der Polizeimeister, welcher der Menge entgangen war, und der Adjutant, der melden kam, daß die Pferde bereit seien, traten zu gleicher Zeit ein. Beide waren bleich, und der Polizeimeister meldete, daß draußen eine große Menschenmenge versammelt sei, die ihn sehen wolle.
    Rostoptschin gab keine Antwort, stand auf, begab sich mit schnellen Schritten in seinen prachtvollen, hellen Salon und ging auf die Balkontür zu, trat dann aber an ein Fenster, aus welchem er die Menge übersehen konnte. Der große Bursche stand in der vordersten Reihe und sprach mit strenger Miene und lebhaften Gebärden. Der blutende Schmied mit dem finsteren Aussehen stand neben ihm. Durch die verschlossenen Fenster vernahm man ein wildes Stimmengewirr.
    »Ist die Equipage bereit?« fragte Rostoptschin.
    »Zu Befehl, Erlaucht«, sagte der Adjutant.
    »Was wollen die Leute?« fragte er den Polizeimeister.
    »Erlaucht, sie sagen, sie wollen den Franzosen entgegengehen auf Ihren Befehl, und schreien auch etwas von Verrat. Es ist eine wilde Menge, Erlaucht! Ich bin ihnen kaum entgangen! Ich wage Ihnen vorzuschlagen ...« »Gehen Sie! Ich weiß selbst, was ich zu tun habe!« schrie Rostoptschin zornig.
    »Dahin haben sie Rußland und mich gebracht«, dachte er. Wie es bei hitzigen Leuten oft geschieht, beherrschte ihn schon die Wut, während er noch einen Gegenstand dafür suchte. »Dieser Plebs da, dieser Abschaum der Bevölkerung«, dachte er, »will ein Opfer haben!« Dieser Gedanke kam ihm in den Sinn, weil er selber ein Opfer haben wollte für seine Wut.
    »Ist die Equipage bereit?« fragte er nochmals.
    »Zu Befehl, Erlaucht. Was soll mit Wereschtschagin geschehen? Er wartet an der Vortreppe«, erwiderte der Adjutant.
    »Ah«, rief Rostoptschin, als ob er sich plötzlich erinnerte. Rasch öffnete er die Tür und trat auf den Balkon. Der Lärm verstummte, die Mützen wurden abgenommen und alle Augen richteten sich auf Rostoptschin.
    »Guten Tag, Kinder!« sagte der Graf rasch und laut. »Ich danke euch, daß ihr gekommen seid! Ich komme sogleich zu euch hinaus! Aber vor allem müssen wir einen Bösewicht abfertigen, wir müssen den Bösewicht bestrafen, welcher am Untergang Moskaus schuld ist! Erwartet mich!« Der Graf kehrte rasch ins Zimmer zurück und schlug die Tür zu. Die Menge durchlief ein zufriedenes Gemurmel.
    »Er wird die Bösewichte alle abfertigen, und du sagst, er sei ein Franzose!« riefen verschiedene Stimmen.
    Nach einigen Minuten kam durch die Haustür rasch ein Offizier heraus, gab einen Befehl, und die Dragoner machten Front. Die Menge bewegte sich vom Balkon gierig nach der Vortreppe. Mit raschen, zornigen Schritten erschien Rostoptschin an der Vortreppe und blickte sich hastig um, als ob er etwas suche.
    »Wo ist er?« rief er, und in demselben Augenblick sah man einen jungen Menschen mit langem, dünnen Hals und halbrasiertem Kopf, welcher aus einer Ecke des Hauses zwischen zwei

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