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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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physische Zustand Peters stimmte, wie das immer der Fall ist, mit dem moralischen überein. Die ungewohnte grobe Nahrung, der Branntwein, den er in diesen Tagen trank, die Entbehrungen von Wein und Zigarren, die schmutzige Wäsche, die er nicht wechselte, die beiden Nächte, die er fast schlaflos auf einem kurzen Diwan zugebracht hatte, alles das versetzte Peter in einen Zustand von aufgeregter Reizbarkeit, der sich dem Wahnsinn näherte.
    Es war schon zwei Uhr nachmittags, und die Franzosen zogen in Moskau ein. Peter wußte das, und anstatt zu handeln, dachte er nur an sein Vorhaben und überlegte alle Einzelheiten desselben. »Ja, einer für alle! Ich muß es vollbringen oder untergehen«, dachte er. »Mit der Pistole oder dem Dolch?« fragte er sich. »Nun, das ist ganz gleichgültig. ›Nicht ich, sondern die Hand der Vorsehung straft dich‹, werde ich ihm sagen. ›Nun, und jetzt führt mich zum Tode!‹« So sprach er vor sich hin mit düsterer, entschlossener Miene.
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und auf der Schwelle erschien die ganz veränderte Gestalt Makars, der sonst immer ein schüchternes Benehmen beobachtet hatte. Sein Gesicht war gerötet und entstellt, er war augenscheinlich betrunken. Als er Peter sah, zögerte er, faßte sich aber sogleich und ging mit schwankenden Schritten bis in die Mitte des Zimmers.
    »Sie haben Angst bekommen«, sagte er mit heiserer, zuversichtlicher Stimme. »Ich sage, ich ergebe mich nicht, ich sage ... nicht wahr, Herr?«
    Als er die Pistole auf dem Tisch erblickte, stürzte er darauf zu und lief damit auf den Hausflur hinaus. Gerasim und der Pförtner eilten ihm nach und wollten ihm die Pistole entreißen. Peter ging hinaus und sah mitleidig diesen halbwahnsinnigen Greis an.
    »Zu den Waffen!« rief Makar. »Du wirst sie mir nicht entreißen.«
    »Aber, ich bitte Sie, lassen Sie los! Ich bitte, Herr ...« sagte Gerasim und wollte den Alten vorsichtig zur Tür zurückführen.
    »Wer bist du? Bonaparte?« schrie Makar.
    »Das ist nicht schön, Herr, bitte, treten Sie doch ins Zimmer ein und ruhen Sie sich aus!«
    »Rühre mich nicht an!« schrie Makar und schwang die Pistole in die Höhe. »Zu den Waffen!«
    »Faß an!« flüsterte Gerasim dem Dwornik an. Sie faßten den Alten am Arm und zogen ihn zur Zimmertür. Man hörte auf dem Flur Geräusch, Lärm und trunkenes, heiseres Geschrei. Plötzlich vernahm man eine durchdringende weibliche Stimme von der Vortreppe her, und die Köchin kam auf den Flur herausgelaufen.
    »Sie sind da, Väterchen! Wirklich, sie sind da! Vier Reiter!« schrie sie. Gerasim und der Dwornik ließen Makar los, während an die Eingangstür geklopft wurde.
    Peter beschloß, bis zur Ausführung seines Vorhabens seinen Namen und Stand sowie seine Kenntnis des Französischen nicht zu verraten. Er stand an der Tür und wollte sich sogleich verbergen, sobald die Franzosen eingedrungen wären, aber eine unüberwindliche Neugierde hielt ihn fest.
    Es waren zwei Franzosen. Der eine war ein Offizier, ein hochgewachsener, schöner Mann, der andere schien sein Bursche zu sein, ein kleiner, hagerer, von der Sonne verbrannter Mensch mit stumpfem Gesichtsausdruck. Der Offizier ging voran, auf einen Stock gestützt. Nach einigen Schritten schien er zu dem Entschluß gekommen zu sein, das Quartier sei gut, er rief dem an der Tür stehenden Soldaten mit lauter Stimme zu, die Pferde hereinzuführen. Dann strich er mit martialischer Gebärde und hochaufgehobenen Ellenbogen seinen Schnurrbart und berührte seinen Hut mit der Hand.
    »Meinen Gruß der Gesellschaft!« sagte er vergnügt und blickte sich lächelnd um.
    Niemand antwortete.
    »Sind Sie der Herr des Hauses?« fragte er Gerasim, welcher erschreckt und fragend den Offizier ansah.
    »Quartier! Quartier!« sagte der Offizier und blickte den kleinen Mann herablassend und mit gutmütigem Lächeln an. »Die Franzosen sind gute Kinder. Zum Teufel! Wir werden nicht zanken, Großväterchen, aber spricht hier niemand Französisch?« Er sah sich um und erblickte Peter bei der Tür.
    Wieder wandte er sich an Gerasim und verlangte, er solle ihm die Zimmer des Hauses zeigen.
    »Herr nicht da ... ich nicht verstehen ... das meinige Ihnen ...« sagte Gerasim, der sein Russisch dadurch verständlicher zu machen suchte, daß er es wie ein sprachunkundiger Fremder aussprach. Der Franzose lächelte und ging hinkend bis zur Tür, bei welcher Peter stand. Peter wollte sich entfernen, aber in diesem Augenblick sah

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