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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Unmöglichkeit, durch Worte einen Menschen zu einer anderen Überzeugung zu bringen. Diese berechtigte Eigenheit jedes Menschen, die Peter früher aufgeregt und gereizt hatte, bildete jetzt die Grundlage für die Teilnahme und das Interesse, das er den Menschen widmete.
    In praktischen Angelegenheiten erlangte jetzt Peter eine ihm sonst ganz fremde Sicherheit. Früher hatte ihn jede Geldfrage erregt, eine Bitte, wie sie ihm als sehr reichen Mann oft vorkam, ihn in eine aufgeregte Ratlosigkeit versetzt. »Geben oder nicht geben?« fragte er sich selber. »Ich habe, und er leidet Not! Aber ein anderer ist vielleicht noch mehr in Not. Welcher ist mehr in Not? Und vielleicht sind beide Betrüger?« Früher fand Peter keinen Ausweg daraus und gab allen, solange er etwas zu geben hatte. In derselben Ratlosigkeit befand er sich bei der Frage, die sein Vermögen betraf, wenn der eine sagte, man müsse so handeln und der andere – so.
    Jetzt fand er zu seiner Verwunderung, daß es in solchen Fragen keine Zweifel mehr gab. Er war ebenso gleichgültig in Geldsachen wie früher, jetzt aber wußte er unzweifelhaft, was er tun sollte und was nicht. Die erste Anwendung dieser neuen Eigenschaft machte er bei Gelegenheit der Bitte eines gefangenen französischen Obersten, der ihm viel von seinen Taten erzählte und am Ende ihn bat und fast verlangte, Peter solle ihm viertausend Franken geben, um sie seiner Frau und seinen Kindern zu schicken. Peter aber vermochte ohne die geringste Mühe dies zu verweigern, worüber er sich später selbst verwunderte. Zugleich aber hielt er es für nötig, List anzuwenden, um bei seiner Abreise den italienischen Offizier dazu zu bringen, Geld von ihm anzunehmen, das er augenscheinlich sehr nötig hatte. Einen neuen Beweis seines neugewonnenen praktischen Blicks sah Peter in seiner Entscheidung der Frage, wie die Schulden seiner Frau bezahlt werden sollten, und ob seine Häuser in Moskau und seine Villa vor der Stadt wieder aufgebaut werden sollten oder nicht. Sein Oberverwalter besuchte ihn in Orel, und Peter beriet sich mit ihm. Der Brand Moskaus hatte Peter nach der Berechnung des Verwalters ungefähr zwei Millionen gekostet. Zum Trost für diesen Verlust legte der Verwalter Peter eine Berechnung vor, wonach sein Einkommen sich nicht nur vermindern, sondern sogar vergrößern werde, wenn er die Zahlung der von der Gräfin hinterlassenen Schulden, zu der er nicht verpflichtet sei, unterlassen würde, und wenn er den Wiederaufbau der Moskauer Häuser, die jährlich achtzigtausend gekostet und nichts eingebracht hätten, unterlassen würde.
    »Ja, ja, das ist wahr«, sagte Peter vergnügt, »das kann alles unterbleiben.« Und so wurde er durch die Zerstörung der Stadt bedeutend reicher. Im Januar aber kam Saweljitsch, der Verwalter aus Moskau, und berichtete über die Lage in Moskau und von dem Kostenanschlag zur Wiedererbauung der Häuser und der Villa in Moskau, die ihm der Architekt angefertigt hatte. Er sprach darüber wie über eine beschlossene Sache. Zu derselben Zeit erhielt Peter auch Briefe vom Fürsten Wassil, seinem Schwiegervater, und anderen Bekannten in Petersburg, in denen von den Schulden seiner Frau die Rede war. Peter kam zu dem Schluß, daß der Plan des Verwalters, der ihm so sehr gefallen hatte, nicht durchführbar sei, und daß er nach Petersburg reisen müsse, um die Angelegenheiten seiner Frau zu ordnen, und daß er auch in Moskau bauen müsse. Warum das alles notwendig sei, wußte er nicht, hegte aber keine Zweifel darüber. Infolge dieses Entschlusses verminderte sich seine Einnahme um drei Viertel, aber er fühlte, daß es notwendig sei.
    Willarsky wollte nach Moskau reisen, und sie kamen überein, die Reise zusammen zu machen.
    Während der Zeit seiner Wiedergenesung in Orel befand sich Peter in einer freudigen, lebensfrohen Stimmung, aber als er auf der Reise sich in frischer Luft und in voller Freiheit fühlte, hunderte von neuen Gesichtern sah, verstärkte sich dieses Gefühl noch viel mehr. Während der ganzen Reise hatte er die Empfindung eines Schülers in den Ferien.

251
    Wenn ein Ameisenhaufen zerstört wird, so fliehen die Ameisen mit Eiern und Puppen, andere eilen zum Haufen zurück und stoßen und drängen einander. Ganz ebenso drängten sich die Menschen nach dem Abzug der Franzosen nach der Stelle, welche früher Moskau hieß. Nach einer Woche waren in Moskau schon fünfzehntausend Einwohner, nach zwei Wochen schon fünfundzwanzigtausend und so weiter, und

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