Krieg und Frieden
im Frühjahr 1813 war die Einwohnerzahl größer als vor dem Krieg. Die ersten Russen, die Moskau betraten, waren die Kosaken von dem Heeresteil von Wintzingerode, dann kamen Bauern aus der Umgegend und Einwohner, welche aus Moskau in die Nachbarschaft geflohen waren. Als sie das zerstörte, geplünderte Moskau betraten, begannen sie auch zu plündern und setzten fort, was die Franzosen begonnen hatten. Bauernwagen kamen in Moskau an, um alles, was in den Moskauer Häusern und Straßen zurückgelassen und weggeworfen war, auf die Dörfer hinauszuführen. Die Kosaken nahmen mit, was sie konnten, Hausbesitzer sammelten alles, was sie in anderen Häusern fanden, und trugen es in die ihrigen, unter dem Vorwand, daß es ihr Eigentum sei.
Aber auf die ersten Plünderer folgten andere und noch andere, und mit jedem Tage wurde das Plündern schwieriger und unergiebiger. Die Franzosen hatten Moskau zwar leer, aber mit allen Formen eines organisch gegliederten Gemeinwesens zurückgelassen, diese Formen waren leblos, aber sie existierten noch. Es gab Märkte, Läden, Vorratshäuser, Basare, welche meist Waren enthielten, es gab Fabriken, reiche Warenhäuser, voll von Luxusgegenständen, es gab Krankenhäuser, Gefängnisse, öffentliche Gebäude, Kirchen, Kapellen. Je länger die Franzosen geblieben waren, desto mehr verschwanden diese Formen des Stadtlebens und zuletzt war alles zusammengeflossen in ein einziges Feld der Plünderung. Jetzt strömte alles nach Moskau, wie das Blut zum Herzen, Plünderer, Leute aller Art, die durch Neugierde, durch Dienstpflichten oder verschiedene Interessen zusammengeführt wurden, Hausbesitzer, Geistliche, hohe und niedere Beamte, Kaufleute, Gewerbetreibende und Bauern. Nach einer Woche schon wurden die Bauern, die mit leeren Wagen nach Beute gekommen waren, von der Obrigkeit genötigt, die Leichen aus der Stadt fortzuführen, andere Bauern, die vom Mißerfolg ihrer Genossen gehört hatten, kamen mit Getreide, Hafer und Stroh zur Stadt und unterboten einander, Genossenschaften von Bauleuten, die auf gut bezahlte Arbeit rechneten, trafen jeden Tag ein, und bald wurde überall daran gearbeitet, die angebrannten Häuser auszubessern und neue aufzubauen. Kaufleute eröffneten ihren Handel in Bretterbuden, Gastwirtschaften entstanden in halbverbrannten Häusern, die Geistlichen erneuerten den Gottesdienst in vielen Kirchen, opferwillige Leute brachten gestohlene Kirchengeräte zurück, Beamte stellten ihre Schreibtische in kleinen Zimmern auf, die Obrigkeit und Polizei beschäftigte sich mit der Herausgabe der zurückgebliebenen Sachen, Graf Rostoptschin schrieb seine Proklamationen.
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Ende Januar kam Peter in Moskau an und ließ sich in einem unversehrt gebliebenen Flügel seines Hauses nieder. Er fuhr zum Grafen Rostoptschin und einigen Bekannten, die nach Moskau zurückgekehrt waren, und beabsichtigte am dritten Tag nach Petersburg weiterzureisen. Alles triumphierte, und neues Leben blühte auf in der zerstörten Stadt. Alle wünschten Peter zu sehen und seine Erlebnisse zu hören. Peter fühlte sich besonders freundschaftlich gestimmt gegen alle Leute, die er sah, hielt sich aber jetzt unwillkürlich vorsichtig zurück, um sich nicht durch irgend etwas zu binden. Auf alle Fragen, die man ihm stellte, wichtige und unbedeutende, wo er zu leben gedenke, ob er bauen, wann er nach Petersburg reisen werde, antwortete er: »Ja, vielleicht, ich glaube.«
Von Rostows hörte er, daß sie in Kostroma seien, und nur selten kam ihm ein Gedanke an Natalie wie eine Erinnerung aus längst vergangener Zeit. Am dritten Tag nach seiner Ankunft in Moskau hörte er, daß die Fürstin Marie sich in Moskau befinde. Oft hatte er an die Leiden und die letzten Tage des Fürsten Andree gedacht, und als er hörte, daß die Fürstin Marie in ihrem unversehrt gebliebenen Haus in Moskau wohnte, fuhr er noch an demselben Abend zu ihr. Auf dem Wege dachte er ununterbrochen an Fürst Andree. »Ist er wirklich in dieser bitteren Stimmung, in der er sich damals befand, gestorben? Hat sich ihm nicht vor dem Tode noch das Rätsel des Lebens entdeckt?« dachte Peter.
In sehr ernster Stimmung kam er am Hause des alten Fürsten an. Spuren der Zerstörung waren sichtbar, aber im ganzen war es unversehrt geblieben. Der alte Haushofmeister kam ihm mit wichtiger Miene entgegen, um dem Gast bemerkbar zu machen, daß die Abwesenheit des Fürsten die Ordnung des Hauses nicht störe. Die Fürstin sei in ihre Zimmer gegangen und
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