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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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anblickte. Nikolai ging im Saale auf und ab. »Das war überflüssig, sie zum Singen zu veranlassen, sie versteht nicht zu singen«, dachte Nikolai. »Mein Gott, ich bin ein verlorener, ehrloser Mensch, eine Kugel vor den Kopf ist das einzige, was mir übrigbleibt! Soll ich gehen? Aber wohin? Gleichviel, mögen sie singen!«
    »Nikolai, was ist Ihnen?« fragten Sonjas Blicke. Sie hatte sogleich bemerkt, daß ihm etwas begegnet war.
    Nikolai wandte sich ab von ihr. Auch Natalie hatte sogleich den Zustand ihres Bruders bemerkt, war aber selbst so vergnügt in diesem Augenblick. »Nein, ich habe mich wahrscheinlich geirrt«, dachte sie. »Er wird ebenso vergnügt sein wie ich!« Natalies Stimme war noch ungeübt und unentwickelt, aber sie besaß noch jene mädchenhafte Unbefangenheit und Sammetartigkeit, welche alle Kritik entwaffnete.
    »Was ist das?« dachte Nikolai. »Was ist mit ihr vorgegangen? Wie singt sie heute? Ach, ein dummes Leben! Unglück und Geld und Dolochow und Ehre – alles das ist Unsinn! Nun, Natalie, mein Täubchen, wie wird sie dieses ›H‹ singen? Richtig, Gott sei Dank! Mein Gott, wie hübsch!«

73
    Seit langer Zeit hatte Rostow nicht mehr mit solchem Vergnügen Musik gehört wie an diesem Abend. Sobald aber Natalie ihre Barkarole beendigt hatte, erinnerte er sich der Wirklichkeit und zog sich zurück.
    Nach einer Viertelstunde kam der alte Graf heiter und zufrieden aus dem Klub zurück. Nikolai ging sogleich in sein Zimmer.
    »Nun, hast du dich amüsiert?« fragte der Alte, indem er strahlend und stolz seinen Sohn anlächelte.
    Nikolai vermochte nicht sogleich zu antworten; er war dem Weinen nahe. Der Graf zündete eine Pfeife an und bemerkte nichts von dem Zustand seines Sohnes.
    »Es muß sein«, dachte Nikolai, »zum ersten- und letztenmal!« Und plötzlich sagte er in einem nachlässigen Ton, der ihm selbst abscheulich erschien: »Papa, ich habe ein Anliegen, ich hätte es beinahe vergessen. Ich habe Geld nötig!«
    »Oho«, sagte der Graf, der sich in besonders heiterer Stimmung befand, »ich habe dir ja gesagt, daß es nicht reichen wird. Viel?«
    »Sehr viel«, erwiderte Nikolai errötend und mit einem dummen, nachlässigen Lächeln, das er sich selbst später lange Zeit nicht vergeben konnte. »Ich habe ein wenig verspielt! Sogar ziemlich viel! Sehr viel! Dreiundvierzigtausend!«
    »Wie? Was? Treibst du Scherz?« rief der Graf.
    »Ich habe versprochen, morgen zu bezahlen«, erwiderte Nikolai.
    »Himmel!« rief der alte Graf, die Hände ringend und ließ sich kraftlos auf den Diwan nieder.
    »Was ist da zu machen? Wem ist das nicht schon begegnet?« sagte der Sohn in dreistem, leichtfertigem Ton, während er sich innerlich selbst einen Elenden nannte, der sein ganzes Leben lang sein Verbrechen nicht wieder gutmachen könne. Er hätte die Hand seines Vaters küssen, ihn auf den Knien um Verzeihung bitten sollen, und jetzt sagte er in leichtfertigem, sogar grobem Ton: »Das kann jedem passieren!«
    Der alte Graf senkte die Augen bei diesen Worten. »Ja, ja«, begann er, »schlimm! Ich fürchte, das wird schwer anzuschaffen sein. Ja, wem ist das nicht schon passiert?« Er verließ das Zimmer. Nikolai war auf einen Zornesausbruch vorbereitet gewesen, aber dies hatte er durchaus nicht erwartet. »Papachen«, rief er ihm weinend nach, »verzeihen Sie mir!«
    Er ergriff die Hand seines Vaters und drückte sie an seine Lippen.
    Während dieses Gesprächs zwischen Vater und Sohn hatte die Mutter mit ihrer Tochter eine nicht minder wichtige Verhandlung. Natalie kam aufgeregt zu ihrer Mutter: »Mama, Mama! ... Er hat mir ...«
    »Was?«
    »Einen Heiratsantrag gemacht. Mama! Mama!« rief sie.
    Die Gräfin traute ihren Ohren nicht. Denissow einen Antrag gemacht? Diesem schmächtigen, kleinen Mädchen, Natalie, welches noch vor kurzem mit Puppen spielte und noch jetzt Stunden nahm?
    »Unsinn! Höre auf, Natalie!« sagte sie, noch immer hoffend, daß das ein Scherz sei.
    »Unsinn! Ich spreche die Wahrheit«, erwiderte Natalie lebhaft. »Ich kam, um zu fragen, was ich machen soll, und Sie antworten mir Unsinn!«
    Die Gräfin zuckte mit den Achseln. »Wenn es wahr ist, daß Denissow dir einen Antrag gemacht hat, so sage ihm, er sei ein Dummkopf!«
    »Nein, er ist kein Dummkopf!« erwiderte Natalie empfindlich.
    »Nun, was willst du? Ihr seid jetzt alle verliebt! Bist du verliebt, so heirate ihn!« sagte die Gräfin ärgerlich lachend.
    »Nein, Mama, ich bin nicht verliebt in ihn.« »Nun, dann sage es

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