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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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besah die Franzosen und ihre Uniformen. Auf einem Platz waren Tische aufgerichtet und es wurden Vorbereitungen zu dem Festessen gemacht. Die Stadt war geschmückt mit russischen und französischen Fahnen mit verschlungenen Namenszügen, A. und N.
    »Boris will mir nicht helfen, und ich werde mich auch nicht an ihn wenden«, dachte Nikolai. »Zwischen uns ist alles aus, aber ich gehe nicht fort von hier, ehe ich nicht alles mögliche für Denissow getan und wenigstens den Brief dem Kaiser übergeben habe. Dem Kaiser!... Da ist er!« dachte Rostow, indem er sich unwillkürlich wieder dem Hause näherte, welches Alexander bewohnte.
    Vor dem Hause standen Reitpferde, die Suite sammelte sich in Erwartung des Erscheinens des Kaisers.
    »Jeden Augenblick kann ich ihn sehen«, dachte Rostow. »Wenn ich ihm nur den Brief übergeben und alles sagen könnte! Ob man mich wohl des Fracks wegen arretieren würde? Unmöglich! Er würde begreifen, auf welcher Seite das Recht liegt. Er begreift alles und weiß alles! Da gehen sie hinein«, dachte er, als er einen Offizier in das Haus treten sah, das der Kaiser bewohnte. »Ach, Unsinn, ich gehe auch hinein und gebe dem Kaiser den Brief.« Und plötzlich ging Rostow mit einer Entschlossenheit, über die er sich selbst wunderte, gerade auf das Haus zu. »Nein, jetzt werde ich die Gelegenheit nicht wieder versäumen wie bei Austerlitz«, dachte er. Bei dem Gedanken, daß er jeden Augenblick dem Kaiser begegnen könne, strömte sein Blut zum Herzen. »Ich werde ihm zu Füßen fallen, er wird mich aufheben, mich anhören und mir noch dafür danken. ›Ich bin glücklich, wenn ich Gutes tun kann, und Unrecht wieder gutzumachen, ist das höchste Glück!‹ wird der Kaiser sagen.« Von der Eingangstür führte eine breite Treppe nach oben, rechts war eine verschlossene Tür, unter der Treppe, welche in den oberen Stock führte, war noch eine Tür sichtbar.
    »Was wünschen Sie?« fragte jemand.
    »Einen Brief abgeben, eine Bittschrift an Seine Majestät«, sagte Nikolai mit zitternder Stimme.
    »Eine Bittschrift? – Zum Dejourierenden! Bitte, dorthin!« Man deutete auf die Tür unter der Treppe. »Aber sie wird nicht angenommen werden.« Ein Kammerfurier öffnete ihm die Tür zum Dejourierenden, und Rostow trat ein.
    Ein kleiner, dicker Mann von etwa dreißig Jahren mit weißen Beinkleidern und Reiterstiefeln stand im Zimmer. Ein Kammerdiener legte ihm gestickte Tragbänder um. Dieser Mann sprach mit jemand, der sich im nächsten Zimmer befand. »Was wollen Sie?« fragte er Rostow. »Eine Bittschrift?«
    »Was gibt's?« fragte jemand aus dem anderen Zimmer.
    »Noch ein Bittsteller«, erwiderte der Mann mit den Tragbändern.
    »Sagen Sie ihm, er solle später kommen! Gleich wird der Kaiser herauskommen; wir müssen fort.«
    »Später! Später! Morgen!«
    Rostow wandte sich um und wollte gehen, aber der Mann mit den Tragbändern hielt ihn an. »Von wem? Wer sind Sie?«
    »Vom Major Denissow!« rief Rostow.
    »Wer sind Sie? Offizier?«
    »Leutnant, Graf Rostow.«
    »Welche Kühnheit! Geben Sie es auf dem Kommando ab. Und nun gehen Sie! Gehen Sie!« Er zog hastig den Uniformrock an, den ihm der Kammerdiener reichte.
    Rostow ging wieder auf den Flur hinaus und bemerkte, daß auf der Vortreppe schon viele Generale in voller Uniform standen, an welchen er vorübergehen mußte. Seine Dreistigkeit verwünschend und halb erstarrt bei dem Gedanken, daß er jeden Augenblick dem Kaiser begegnen könne und daß er schimpflich behandelt und in Arrest geschickt werden könne, verließ Rostow das Haus, das von der glänzenden Suite umgeben war, als eine bekannte Stimme ihn anrief.
    »Oho, Väterchen, was machen Sie hier im Frack?« fragte eine Baßstimme. Das war ein Kavalleriegeneral, der in diesem Feldzug die besondere Gewogenheit des Kaisers erworben hatte, der frühere Divisionsgeneral Rostows. Erschrocken begann Rostow sich zu entschuldigen, aber beim Anblick der gutmütigen, scherzhaften Miene des Generals, der ihn beiseite führte, teilte er ihm mit aufgeregter Stimme die ganze Sache mit und bat um seine Unterstützung für den ihm bekannten Denissow.
    »Schade, schade um den Jungen!« sagte der General, den Kopf wiegend.
    »Gib den Brief her!«
    Kaum hatte Rostow ihm den Brief übergeben, als man von der Treppe her rasche Schritte vernahm. Der General verließ Rostow und ging auf die Haustür zu. Die Herren der Suite eilten zu ihren Pferden, und auf der Treppe hörte Rostow leichte Schritte, welche

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