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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Speisezimmer!«

24
    Zur bestimmten Stunde erschien der Fürst gepudert und rasiert im Speisesaal, wo ihn seine Schwiegertochter, Fürstin Marie und Fräulein Bourienne erwarteten, sowie der Architekt des Fürsten, der nach alter Gewohnheit zu Tische zugelassen wurde. Der Fürst beobachtete sonst streng die Standesunterschiede und ließ selbst höhere Beamte nur selten zur Tafel zu, aber nun bewies er mit diesem Architekten, Michail Iwanowitsch, daß alle Menschen gleich seien, und bei Tische wandte er sich sogar sehr oft an ihn.
    In dem großen, viereckigen Speisesaal warteten die Diener, welche hinter jedem Stuhl standen. Der Haushofmeister mit einer Serviette in der Hand überblickte die Tafel, winkte den Dienern und blickte beständig nach der Wanduhr und nach der Tür, durch welche der Fürst erscheinen sollte. Fürst Andree betrachtete den ihm noch neuen Stammbaum der Fürsten Bolkonsky, welcher in einem mächtigen Goldrahmen an der Wand hing, gegenüber einem ebensolchen Rahmen mit dem schlecht gemalten Bild eines regierenden Fürsten mit der Krone, welcher von Rurik abstammen und der Stammvater der Fürsten Bolkonsky sein sollte.
    »Jeder hat seine Achillesferse«, bemerkte Fürst Andree. »Mit seinem umfassenden Verstand sich mit solchen Nichtigkeiten abzugeben!«
    In diesem Augenblick schlug die große Uhr zwei. Der Fürst trat rasch und rüstig ein, wie er immer ging, musterte alle mit seinen glänzenden, strengen Augen und ließ seine Blicke auf der jungen Fürstin ruhen. Sie empfand ein Gefühl der Ehrfurcht, wie Höflinge beim Eintritt des Kaisers. Mit einer unsicheren Bewegung klopfte er der jungen Fürstin auf das Genick.
    »Ich freue mich, ich freue mich«, sagte er und blickte ihr durchdringend in die Augen. Dann trat er rasch zur Seite und setzte sich auf seinen Platz. »Setzt euch! Setzt euch!« Er wies der Schwiegertochter den Platz neben sich an. Ein Diener rückte einen Stuhl für sie herbei.
    »Hoho«, sagte der Alte, indem er ihre umfangreiche Taille betrachtete, »sie hat sich beeilt! Schlimm!« Er ließ ein trockenes, kaltes, unangenehmes Lachen hören, wie er immer lachte. »Spazierengehen! Viel gehen! So viel als möglich«, sagte er.
    Die junge Fürstin hörte diese Worte nicht oder wollte sie nicht hören. Sie schwieg und schien verletzt zu sein. Der Fürst fragte sie nach ihrem Vater, und nun begann die Fürstin lachend zu reden. Er fragte sie auch nach gemeinschaftlichen Bekannten, und die Fürstin wurde noch lebhafter, überbrachte dem Fürsten Grüße und teilte ihm Stadtgespräche mit.
    »Die arme Gräfin Apraxin hat ihren Mann verloren, sie hat sich die Augen ausgeweint, die Arme!« Je lebhafter die junge Frau wurde, desto strenger betrachtete sie der Alte, und plötzlich wandte er sich von ihr ab, als ob er sie jetzt hinlänglich erforscht und sich eine klare Meinung gebildet habe.
    »Was meinen Sie, Michail Iwanowitsch«, sagte er zu dem Architekten, »unserm Bonaparte wird's schlimm gehen! Fürst Andree hat mir erzählt, was für ungeheure Streitkräfte gegen ihn aufgeboten werden, und wir hielten ihn immer für einen Windbeutel.«
    Der Architekt konnte sich nicht erinnern, mit dem Alten über Bonaparte gesprochen zu haben, aber er begriff, daß er nur als Übergangspunkt zu dem Lieblingsgespräch des Fürsten dienen sollte.
    »Er ist ein großer Taktiker«, sagte der Fürst zu seinem Sohne, auf den Architekten deutend, und dann ging das Gespräch wieder auf Bonaparte und die jetzigen Generale und Staatsmänner über. Der alte Fürst schien überzeugt zu sein, daß alle die jetzigen Leute an der Spitze dumme Jungen seien, welche von Krieg und Politik keine Ahnung haben, und daß Bonaparte ein windiges Französchen sei, der nur deshalb Erfolg hatte, weil man ihm keinen Patjomkin oder Suwówrow entgegenzustellen hatte. Er war sogar überzeugt, daß es gar keine politischen Schwierigkeiten in Europa, auch keinen Krieg gebe, daß das alles nur eine lächerliche Komödie sei, welche die jetzigen Leute an der Spitze spielen, um sich wichtig zu machen.
    Fürst Andree hörte vergnügt den Spott des Alten über die neuen Leute an, es machte ihm offenbar Spaß, seinen Vater noch mehr herauszufordern.
    »Alles scheint gut, was früher war«, sagte er, »aber ist dieser Suwórow nicht in die Falle gegangen, die ihm Moreau gestellt hat?«
    »Wer hat das gesagt?« schrie der Alte. »Suwórow!« – Er stieß den Teller zurück. »Bedenke doch, Fürst Andree, es gibt nur zwei – Friedrich

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