Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
Vom Netzwerk:
lies sie allein, du kannst Nutzen daraus ziehen.«
    »Ich werde alles ausführen, Väterchen«, sagte er.
    »Nun lebe wohl!« Er reichte seinem Sohn die Hand zum Kuß und umarmte ihn. »Erinnere dich stets daran, Fürst Andree, wenn du fällst, so wird es mich Armen sehr schmerzen! Wenn ich aber erfahre, daß du dich nicht so geführt hast wie ein Sohn des Fürsten Bolkonsky, so werde ich mich ... schämen!«
    »Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, Väterchen«, erwiderte der Sohn lächelnd. »Ich wollte Sie noch um eins bitten: Wenn ich falle, und mir ein Sohn geboren wird, so lassen Sie ihn nicht von sich. Wie ich Ihnen gestern sagte, er soll bei Ihnen aufwachsen! Ich bitte Sie darum!«
    »Ich soll ihn nicht der Frau geben?« sagte der Alte und lachte.
    Sie standen schweigend einander gegenüber. Die Augen des Alten waren gerade auf die des Sohnes gerichtet, im unteren Teil des Gesichts des alten Fürsten zitterte etwas.
    »Nun adieu! ... Geh!« sagte er plötzlich. »Geh!« schrie er mit zorniger, lauter Stimme und öffnete die Tür des Kabinetts.
    »Was ist das?« fragten die Fürstin und Marie, als sie Fürst Andree und die rasch wieder verschwindende Gestalt des Alten im Schlafrock ohne Perücke erblickten und seine zornige Stimme vernahmen.
    Fürst Andree seufzte und gab keine Antwort.
    »Nun«, sagte er zu seiner Frau, und in diesem »nun« lag kalter Spott, als ob er sagen wollte: »Nun, jetzt kannst du deine Rollen spielen!« »Was, schon jetzt?« rief die kleine Fürstin und sah erbleichend ihren Mann an. Er umarmte sie. Sie schrie auf und fiel bewußtlos auf seine Schulter. Er legte sie vorsichtig auf einen Stuhl und sah ihr ins Gesicht. »Lebe wohl, Marie!« sagte er leise, küßte seine Schwester und verließ mit raschen Schritten das Zimmer.
    Die Fürstin lag im Lehnstuhl, Fräulein Bourienne rieb ihr die Schläfen, Marie hielt die Fürstin mit verweinten Augen, welche noch immer nach der Tür blickten, durch welche Fürst Andree verschwunden war. Aus dem Kabinett ertönten wie Schüsse oft wiederholte zornige Rufe. Kaum hatte Fürst Andree das Haus verlassen, als die Tür des Kabinetts sich rasch öffnete und die strenge Miene des alten Fürsten im weißen Schlafrock herausblickte.
    »Ist er fort? Nun gut«, sagte er, blickte zornig nach der bewußtlosen kleinen Fürstin, wiegte vorwurfsvoll den Kopf und schlug die Tür wieder zu.

26
    Im Oktober 1805 stand das russische Heer in den Städten und Dörfern des Erzherzogtums Österreich. Immer neue Regimenter kamen aus Rußland an und vermehrten die Last der Einwohner. In der kleinen Festung Braunau befand sich das Hauptquartier des Oberkommandeurs Kutusow.
    Das Pawlogradsche Husarenregiment lag zwei Meilen von Braunau im Quartier. Die Schwadron, in welcher Graf Nikolai Rostow als Junker diente, war in dem kleinen Dorfe Salzeneck einquartiert. Das beste Quartier im Dorf hatte der Rittmeister Denissow, und der Junker Rostow wohnte mit ihm zusammen, seitdem er das Regiment in Polen eingeholt hatte.
    Am 8. Oktober traf im Hauptquartier die Nachricht ein, daß der österreichische General Mack in der Festung Ulm mit dreißigtausend Mann eingeschlossen worden war und sich genötigt gesehen habe, mit seiner ganzen Armee zu kapitulieren. Napoleon befand sich bereits im raschen Vormarsch nach Wien.
    In der kleinen Garnison ging jedoch alles wie bisher. Denissow hatte die ganze Nacht Karten gespielt und war noch nicht nach Hause gekommen, als Rostow schon am frühen Morgen vom Fouragieren zurückkam. Er stieg vom Pferde und rief eine Ordonnanz herbei.
    »Ah, Bondarenka, mein Freundchen«, sagte er zu dem eilig herbeilaufenden Husaren, »führe das Pferd umher!« Er sagte dies mit der ruhigen Freundlichkeit, in der gutherzige Leute sprechen, wenn sie glücklich sind.
    »Zu Befehl, Erlaucht!« erwiderte der Kleinrusse.
    »Wo ist dein Herr?« fragte Rostow den Burschen Denissows, Lawruschka. »Seit gestern abend nicht nach Hause gekommen! Wahrscheinlich hat der Herr verspielt!« erwiderte Lawruschka. »Wenn er gewinnt, so kommt er früh nach Hause und ist vergnügt, aber wenn er bis zum Morgen ausbleibt, so bedeutet das Verlust und dann kommt er zornig nach Hause. Befehlen Sie Kaffee?«
    »Ja, ja, gib her!«
    Nach zehn Minuten brachte Lawruschka Kaffee. »Da kommt der Herr«, sagte er, »jetzt wird's schlimm!«
    Rostow sah durchs Fenster und erblickte den heimkehrenden Rittmeister. Denissow war ein kleiner Mann mit rotem Gesicht und glänzenden schwarzen Augen. Sein

Weitere Kostenlose Bücher