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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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den Glücklichen Breiten.
Leviathan und die Rote Königin
    Am 27. Februar 1991, um Mitternacht, gab Präsident George Bush (der Ältere) eine Waffenruhe im Nahen Osten bekannt. Eine Koalition unter Führung der Amerikaner hatte nur hundert Stunden gebraucht, um nach der Besetzung Kuwaits durch den Irak dessen Streitkräfte außer Gefecht zu setzen. 240 Soldaten waren gefallen aus einem Koalitionsheer von 800   000; dem standen etwa 20   000 Tote bei den irakischen Verteidigern gegenüber. Es war der einseitigste Sieg der Neuzeit.
    In der folgenden Lawine von Talkshows und Kommentaren schrieben die Fachleute diesen Triumph mehrheitlich einer Umwälzung der Kriegführung zu, einer Revolution in Military Affairs (RMA), wie Theoretiker das nennen. Zu einer solchen Revolution im Militärwesen, so der prominente Analytiker Andrew Krepinevich, »kommt es, wenn die Anwendung neuer Technologien bei einer signifikanten Zahl militärischer Systeme sich in einer Art und Weise mit innovativen operativen Konzepten und organisatorischer Anpassung paart, die fundamental Charakter und Führung des Konflikts verändert«. 18 Derartige Revolutionen »umfassen vier Elemente: technologische Veränderung, Systementwicklung, operative Innovation und organisatorische Anpassung«, und diese wiederum führen »zu einem dramatischen Anstieg – oft um eine Größenklasse oder mehr – an Kampfkraft und militärischer Wirksamkeit der Streitkräfte«.
    Krepinevich identifizierte zehn solcher Revolutionen im Westen während der letzten 700 Jahre, aber es handelt sich dabei in Wirklichkeit nur um die Spitze des Eisbergs. Es gibt nichts Neues unter der Sonne, heißt es schon in der Bibel. »Geschieht auch etwas, davon man sagen möchte: Siehe, das ist neu? Es ist zuvor auch geschehen in den langen Zeiten, die vor uns gewesen sind.« 19 Und so verhält es sich auch mit den Revolutionen im Militärwesen. Die 10   000 Jahre, die es gebraucht hat, die ersten gewalttätigen, armen Bauern in den Glücklichen Breiten in friedfertige, wohlhabende Untertanen des Römischen, des Han- oder des Maurya-Reiches zu verwandeln, waren im Grunde eine lange Reihe von Revolutionen im Militärwesen. Genaugenommen können wir die verschiedenen Revolutionen als Augenblicke besonders raschen Wandels im Verlauf einer einzigen Langzeitevolution im Militärwesen betrachten.
    Eine der ältesten Debatten der Biologie geht zwischen Gradualisten, deren Ansicht nach die Evolution konstant und allmählich verläuft, und deren Kritikern, denen zufolge die Evolution aus langen Perioden der Ereignislosigkeit besteht, die von (relativ) kurzen Episoden (relativ) rascher Veränderungen durchbrochen werden. Die Debatte wird zweifelsohne anhalten, aber mir scheint das punktualistische Modell eine ausgezeichnete Beschreibung der Evolutionim Militärwesen seit dem Ende der Eiszeit zu sein. Auf der einen Seite liefen während dieser 15   000 Jahre allmählich winzige Veränderungen auf; auf der anderen Seite wurde diese Geschichte von einer Handvoll dramatischer Revolutionen punktiert. Der eine oder andere Archäologe mag unterschiedliche Revolutionen herausgreifen, ich jedoch möchte mich auf das Aufkommen von Befestigungen, Bronze (für Waffen und Panzerung), militärischer Disziplin, Streitwagen und (für gewöhnlich gepanzerter) Stoßtrupps konzentrieren.
    Wie bei besagter militärtechnischer Revolution Ende des 20. Jahrhunderts lagen die unmittelbaren Ursachen all dieser Veränderungen in der Interaktion von Technik, Organisation und Logistik; die letztendliche Ursache jedoch war der Caging-Prozess. Hintergrund jeder dieser Revolutionen war die Anpassung an die neue übervölkerte Landschaft; in den meisten Teilen der Glücklichen Breiten der Alten Welt erfolgten sie alle in ein und derselben Sequenz (nicht jedoch, aus Gründen, auf die ich in Kapitel 3 kommen werde, in der Neuen Welt); und nicht eine von ihnen hat auch nur das Geringste mit einer speziellen Art westlicher Kriegführung zu tun.
    Die Menschen, die in den Hilly Flanks – den Ausläufern des Taurusgebirges – 9500 v.   Chr. Weizen und Gerste anzubauen begannen, befanden sich auf einer technisch entschieden primitiven Entwicklungsstufe; sie waren desorganisierte Kämpfer und lebten von der Hand in den Mund. Alles, was Archäologen aus ihren Gräbern und Siedlungen geborgen haben, weist darauf hin, dass sie in etwa auf dieselbe Weise gekämpft haben wie die einfachsten Bauerngesellschaften, die Anthropologen im 20.

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