Krieg – Wozu er gut ist
Prozess (das Auftauchen unnatürlich großer Samenkörner und Tiere, was Archäologen für gewöhnlich als »Kultivierung« bezeichnen) sehen wir in den hügeligen Ausläufern des Taurus zwischen 9500 und 9000 v. Chr., und Hinweise auf eine voll entwickelte Domestizierung finden sich spätestens um 7500 v. Chr.
Auch im Gebiet des heutigen China gab es hohe Konzentrationen domestizierbarer Pflanzen und Tiere, wenn auch nicht von der Dichte wie in den Hilly Flanks. Zwischen Gelbem und Langem Fluss – Huang He und Jangtsekiang – wurde um 7500 v. Chr. Reis angebaut und spätestens 5500 v. Chr. domestiziert. Über das nächste Jahrtausend folgten Hirse und Schweine. In Pakistan verliefen Kultivierung und Domestizierung von Hirse, Weizen, Schafen und Ziegen in etwa nach demselben Zeitplan. Squash, Erdnüsse und Teosinte (der Vorläufer des Maises) wurden in Mexiko um 6500 v. Chr. kultiviert und spätestens um 3250 v. Chr. domestiziert; in Peru baute man um 6500 v. Chr. Quinoa an und hielt sich Lamas und Alpakas, bis 2750 v. Chr. waren sie domestiziert (Tabelle 2.1). Die Übereinstimmung zwischen der Dichte potenziell domestizierbarer Pflanzen und Tiere sowie dem Zeitpunkt, an dem die Domestizierung einsetzte, ist so gut wie perfekt.
Die Domestizierung war ein ausgesprochen langwieriger Prozess. Es dauerte typischerweise etwa 2 000 Jahre, bis die domestizierte Variante einer Feldfrucht seinen wilden Vorfahr gänzlich ersetzt hatte und beängstigende Wildtiere vollends zur knuddeligen Hausvariante mutiert waren. Danach brauchten die Bauern noch wenigstens 2000 weitere Jahre, um all die Feinheiten auszuklügeln, die die Agrikultur ausmachen – so etwa Hülsenfrüchte und Getreide abwechselnd anzubauen, um der Krume Zeit zurErholung zu geben, das Korn bei der Weiterarbeitung von Unreinheiten zu befreien und Rinder oder Büffel (wo es sie gab) vor Pflüge und Karren zu spannen.
Mit jedem Jahr wurde ein weiteres Stück Wildnis bepflanzt, wurden einige Felder mehr gejätet, geharkt, gepflügt, bewässert, gedüngt. Die Nahrungsversorgung verbesserte sich ständig, und so tat der Mensch, was alle Tiere im Überfluss tun: Sie verwandelten die überzähligen Kalorien in weitere Exemplare der eigenen Spezies.
Die Glücklichen Breiten, in denen es von Menschen und ihren genetisch modifizierten Organismen nur so wimmelte, boten ein zunehmend eigenartiges Bild. Überall sonst auf der Welt führte die nomadische Lebensweise der Jäger und Sammler zwangsläufig dazu, dass die Menschen spärlich über das Land verteilt lebten, typischerweise in einer Dichte von weniger als einem pro Quadratmeile. Im ersten Millennium v. Chr. jedoch drängten sich in einigen Gebieten der Glücklichen Breiten bereits mehrere hundert Bauern auf jeder Quadratmeile fruchtbaren Lands.
Dieses Bevölkerungswachstum hatte eine Reihe weiterer unbeabsichtigter Konsequenzen. Eine davon war, dass der Ackerbau sich ausbreitete. Als das beste Land in den ursprünglichen Kerngebieten des Ackerbaus sich zu füllen begann, machten Bauern sich auf den Weg in Regionen, in denen noch kein Bauer vor ihnen gewesen war, und suchten sich fruchtbare Landstriche jenseits des Horizonts. Die Grenzen bestellten Landes erweiterten sich nur um einige wenige Kilometer pro Generation, aber selbst in diesem Tempo hatten die prähistorischen Grenzbewohner binnen 4 000 Jahren den Sprung vom westlichsten Kerngebiet der Domestizierung in den Ausläufern des Taurusgebirges bis an die französische Atlantikküste geschafft, während man vom östlichsten Kern zwischen Huang He und Jangtsekiang bis nach Borneo kam.
Eine weitere unbeabsichtigte Konsequenz des Ackerbaus war die, dass der Mensch mit der dadurch bedingten Zunahme der Bevölkerungsdichte mehr Gründe für Kriege fand. Es war nicht etwa so, dass der Ackerbau selbst mehr Kriege verursacht hätte; von den Trojanischen Kriegen bis hin zum War of Jenkins’ Ear *15 haben die Menschen einander aus allen nur erdenklichen Gründen umgebracht – Besitz, Prestige und Frauen stehen dabei ganz oben an. Aber immer mehr Leute in ein und dasselbe Gebiet zu packen (wie Laborratten in ein und denselben Käfig) bedeutete nun mal, dass es mehr Leute gab, mit denen sich streiten ließ.
Die wichtigste Folge der zunehmenden Bevölkerungsdichte jedoch bestand darin, dass die Niederlage bei einer Auseinandersetzung eine neue Bedeutung annahm. Allmählich, im Lauf der Jahrtausende, stellte sich heraus, dass eine
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