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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Jordantal einen bedrohlichen Turm. Viele Archäologen bezweifeln jedoch, dass er eine militärische Funktion gehabt hat; und selbst wenn, so scheint er niemanden beeindruckt zu haben, da es in den geschichtlichen Aufzeichnungen zu einer Lücke von fünf Jahrtausenden kommt, bis die nächste Festungsanlage gebaut wurde: eine Mauer aus der Zeit um 4300 v.   Chr. bei Zephyrion (Mersin) in der heutigen Türkei.
    Nach Zephyrion folgte in Vorderasien eine Festungsanlage der anderen. Schon 3100 v.   Chr. umgab das sumerische Uruk (im Süden des heutigen Irak) eine Stadtmauer von ca. neun Kilometern Länge. Das ist sicher beeindruckend, aber die Belege dafür, dass Siedlungen trotz ihrer Mauern zerstört wurden, lassen vermuten, dass die für den Sturm einer Verteidigungsanlage nötige Organisation sich im gleichen Tempo entwickelte wie die Organisation, die nötig gewesen war, sie zu bauen. Wir könnten daraus den Schluss ziehen, dass die Sumerer, wie die Rote Königin, ein ziemliches Tempo vorlegten, nur um am selben Fleck zu bleiben.
    Das ist jedoch nicht die ganze Geschichte. All das Gerenne über lange Zeit hinweg hat die Gesellschaften im Kern der Glücklichen Breiten durchaus weitergebracht. Die Festungsanlagen aus dem 4. Jahrtausend v.   Chr. sind genaugenommen der erste revolutionäre Sprung, der sich innerhalb der umfassenderen Evolution im Militärwesen ausmachen lässt: die Tatsache, dass Gesellschaften in der Lage waren, große Mauern zu bauen – bzw. die von ihren Feinden erbauten Mauern zu stürmen –, zeigt uns, dass der Krieg produktiv geworden war. Leviathan ließ die Muskeln spielen, organisierte Gemeinschaften, um Aufgaben zu erledigen, die ihnen früher unmöglich gewesen wären. Kriege waren damit nicht länger Überfälle nach dem Prinzip: Wie du mir, so ich dir. Sieger schluckten die Verlierer; eine größere Gesellschaft entstand.
    Dieser Prozess war so gewalttätig wie verschwenderisch. Ein sumerischer Text aus dem 3. Jahrtausend v.   Chr. – ein Zeitpunkt, zu dem die Schrift so effizient geworden war, dass sich damit Lyrik aufzeichnen ließ – gibt uns einen Hinweis darauf, wie viele Tausend Stimmen diese Brutalität zum Schweigen gebracht hat. »Ach!«, klagt eine dieser Stimmen, »dieser mein Tag, an dem ich vernichtet ward!«

    Schweren Tritts die Stiefel des Feindes in meine Kammer traten!
    Seine dreckigen Hände streckte dieser Feind nach mir aus! …
    Meines Gewands beraubte mich dieser Feind
    Und kleidete sein Weib darin,
    Dieser Feind durchschnitt meiner Gemmen Schnur
    Und behängte damit sein Kind,
    Mir war, die Flure seines Hauses zu wandeln, bestimmt. 22
    Als Folge der Brutalität jedoch herrschten immer weniger Städte über immer mehr Menschen, und spätestens um 3100 v.   Chr., als Uruk sich mit neun Kilometern Mauern umgab, scheint die Stadt die eine oder andere Form von Kontrolle über einen Gutteil von Sumer ausgeübt zu haben. Es sieht ganz so aus, als wären noch im hohen Norden, also im heutigen Syrien, einige Orte von Uruk erobert oder kolonisiert worden – vor allem Tell Brak, der Schauplatz schwerer Kämpfe um 3800 v.   Chr., und Habuba Kabira.
    Die Gesellschaft Uruks und seiner Gebiete rühmte sich darüber hinaus auch komplexerer innerer Strukturen. So verfügte sie über richtige Städte mit einer Bevölkerung von mehreren 10   000 Bewohnern sowie über Könige, die eine göttliche Abstammung beanspruchten. Und schließlich sorgten stationäre Banditen für Kodizes und schufen Bürokratien, die schriftliche Aufzeichnungen führten, Steuern eintrieben und, wie sie selbst gern sagten, die Hirten ihres Volks waren.
    Die ersten Leviathane führten die Aufsicht über Gesellschaften, deren Angehörige weniger gleich waren als die früherer Zeiten, aber dafür reicher und wahrscheinlich sicherer. Da wir keine Statistiken haben, sind wir hier natürlich auf Vermutungen angewiesen; aber in einem hochgradig beengten Gebiet wie dem Niltal, wo die Wüste rechts und links die Bauern in einen schmalen Streifen fruchtbaren Lands eingepfercht hielten, scheint das unbestreitbar zu sein. Nach mehreren Jahrhunderten des Kampfes bildeten sich um 3300 v.   Chr. am oberen Nil drei kleine Staaten heraus. Spätestens 3100 v.   Chr. war davon nur einer übrig geblieben, und sein König Narmer wurde der erste Pharao, der über ganz Ägypten herrschte.
    Narmer und seine Nachfolger merzten in ihrem 800 Kilometer langen Königreich den Krieg aus und hoben das stationäre Banditentum auf

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