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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Niederlage in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft etwas ganz anderes war als die in einem relativ leeren, von einigen nomadischen Wildbeutern bewohnten Land.
    Nehmen wir etwa die Geschichte von ≠Gau *16 , einem Jäger aus dem Volk der San im Bezirk Nyae-Nyae der Kalahari. Irgendwann in den 1920er oder 1930er Jahren geriet ≠Gau in Streit mit Debe, einem anderen Jäger. Es ging um Buschnahrung, und ≠Gau, ein Hitzkopf, verletzte Debe mit seinem Speer. Debes aufgebrachte Familie griff ihrerseits ≠Gau an, aber in dem darauf entbrennenden Kampf tötete ≠Gau noch einmal, indem er einem Mann einen Giftpfeil in den Rücken schoss. In der Erkenntnis, zu weit gegangen zu sein, »packte ≠Gau seine Leute zusammen und verließ die Gegend«. So jedenfalls erzählte ein San die Geschichte in den 1950er Jahren. Man schickte ihm ein Aufgebot hinterher, aber nach einem Scharmützel, das drei weitere Leben forderte, so der Erzähler der Geschichte, »liefen ≠Gau und die Seinen davon«. 14 Wenn es unter Sammlern und Jägern hart herging, gingen einige der Harten einfach woanders hin. Solange es Platz gab, um in Bewegung zu bleiben, brauchte ≠Gau für seine Verbrechen nicht zu bezahlen. (≠Gau fand schließlich ein angemessen gewalttätiges Ende, als ihm ein junger Mann aus der eigenen Gruppe einen Speer ins Herz stieß.)
    Wie anders ist da doch das Schicksal eines sesshaften Bauern, der einen Kampf verliert. Im Jahre 58 v.   Chr., so berichtet es Julius Caesar, verließen die Helvetier, ein Stamm von Ackerbauern, ihre Heimat in der heutigen Schweiz und zogen nach Gallien auf der Suche nach besserem Land. Gallien jedoch, das wussten sie, war bereits voll; das gute Ackerland war seit langem besiedelt. Aber den Helvetiern war das egal. Sie nahmen sich einfach, was sie wollten, und mit den Ländereien der Häduer fingen sie an.
    Was sollten die Häduer tun? Eine Möglichkeit bestand darin, die Geschichte durchzustehen und auf das Beste zu hoffen, nur dass das Beste nicht sehr rosig aussah. Kaum waren die Helvetier eingetroffen, so heißt es bei Caesar, sahen die Häduer »ihre Felder verwüstet, ihre Kinder in die Sklaverei geschleppt und ihre Städte genommen«. 15 Die Früchte ihrer Entscheidung, nichts zu unternehmen, versprachen also Tod, Ruin, Sklaverei.
    Die andere Möglichkeit bestand darin, sich zur Wehr zu setzen, aber angesichts der Tatsache, dass »die Helvetier die übrigen Kelten an Tapferkeit« übertrafen, wie Caesar berichtet, war das für die Häduer eine eher düstere Aussicht, denn die Helvetier »liegen fast täglich mit den Germanen im Kampf, wehren dieselben entweder vom eigenen Gebiet ab, oder führen auf germanischem Boden selbst Krieg.« 16 Die notwendige Erfahrung und Organisation, so meinten die einen, konnte man sich schließlich nicht aus den Rippen schneiden. Andere Häduer dagegen brannten auf den Kampf; ein gewisser Dumnorix (»ein höchst verwegener, wegen seiner Freigebigkeit beim Volk sehr beliebter und zu Unruhen geneigter Mann« 17 ; das hört sich an wie die gallische Version von ≠Gau) scharte eine private Streitmacht von Reitern um sich. Er trug sich mit der Absicht, die Krise zu einem Coup gegen die schwache Aristokratie der Häduer zu nutzen, um sich selbst zum König aufzuschwingen; sein Ziel waren die Häduer als regionale Macht.
    Eine dritte Möglichkeit, für die man sich schließlich entscheiden sollte, bestand darin, sich unter den Schutz mächtiger Freunde zu stellen. Man ging dies jedoch alles andere als geradlinig an. Für die meisten Häduer war Julius Caesar der offensichtliche Freund, der eben eingesetzte Statthalter der benachbarten römischen Provinz. Dumnorix jedoch spielte ein doppeltes Spiel. Weit davon entfernt, die Gesellschaft der Häduer neu zu organisieren, um sich der Helvetier zu erwehren, plante er in Wirklichkeit, die Häduer unter den Schutz der Helvetier zu stellen. Diese sollten ihm dann dabei helfen, König zu werden, und schließlich sollten die beiden Stämme – unter Ausschluss Roms – gemeinsam ganz Gallien dominieren.
    Die eine Möglichkeit, die die Häduer nicht hatten, war die, wie ≠Gau und seine Leute in der Kalahari einfach woandershin zu gehen und dort neu anzufangen. ≠Gaus Horde hatte durch einen Umzug relativ wenig zu verlieren; die Häduer hätten alles verloren: Höfe, Felder, eingelagerte Vorräte. Sie hatten jahrzehntelang Gräben ausgehoben, Brunnen gegraben, Terrassen angelegt und Wälder gerodet – mit einem Schlag wäre

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