Krieg – Wozu er gut ist
ich wäre nicht verzweifelt angesichts von Ashokas Werk. Das Maurya-Reich war zusammengebrochen wie die Kultur am Indus zuvor, und die unermesslichen Weiten seines Territoriums hatten kabbelnde Fürsten unter sich aufgeteilt. Ich wäre jedoch nach wie vor zuversichtlich, was die Zukunft angeht. Leviathan hatte einen Schritt nach hinten getan, sicher, aber nicht lange und er täte – wie schon einmal, als die Maurya in die Fußstapfen der kollabierten Indus-Kultur getreten waren – wieder zwei Schritte nach vorn.
Was lässt sich aus diesem Gedankenspiel lernen? Eine verlockende Interpretation ist die, dass alles relativ ist. Ob es den produktiven Krieg nun überhaupt gibt, ob er zyklisch ist oder ob er sich stetig nach vorne entwickelt, hängt einzig und allein von der Perspektive ab, aus der wir ihn sehen. Aber das halte ich denn doch für einen etwas vorschnellen Schluss. Die eigentliche Lektion der letzten paar Jahrtausende v. Chr. in Südasien besteht darin, dass der durch den produktiven Krieg bewirkte Zauber, der die Menschheit sicherer und reicher macht, nur über sehr , sehr lange Zeiträume hinweg funktioniert. Jede Theorie darüber, wie Krieg über einen Zeitraum von Jahrtausenden wirkt, hätte die tatsächlichen Menschen, die in Südasien töteten und getötet wurden, sicher wie ein grausamer Scherz angemutet. Ich sage es noch einmal: Die moralischen Implikationen einer Langzeitgeschichte des Krieges sind zutiefst beunruhigend. Aber dennoch, die Belege weisen immer wieder auf ein und dieselbe paradoxe Hypothese: Der Krieg hat die Menschheit sicherer und reicher gemacht.
Feuerwagen
Südasien war nicht die einzige Region, in der der Untergang einer Kultur die Produktivität des Kriegs unterbrach. Um 3100 v. Chr. kam es dazu womöglich bereits bei den Sumerern. Die Evidenzen lassen uns im Dunkeln, aber die Macht, die die Stadt Uruk sich aufgebaut hatte, brach damals zusammen. Uruk selbst brannte ab, und für Jahrhunderte blieb Vorderasien in einander bekriegende Stadtstaaten zerfallen. Gegen 2200 v. Chr. kam es zu einer gar noch größeren Umwälzung, die sowohl das Akkadische Reich Sargons als auch das Alte Reich Ägyptens zerschlug; bis in den Mittelmeerraum waren Ausläufer des Desasters zu spüren. Etwa um dieselbe Zeit dürfte es zu ähnlichen (wenn auch kleineren) Zusammenbrüchen in China gekommen sein. Ihre genauen Ursachen sind heftig umstritten, aber nach 2000 v. Chr. wird der Fall klarer. Um diese Zeit beginnen wir zu sehen, dass auch eine Revolution im Militärwesen selbst Ursache einer massiven Destabilisierung sein kann.
Die vierte große Revolution im Militärwesen begann nicht im Glanz der Städte des Fruchtbaren Halbmonds oder des Indus-Tals, sondern in den ariden Steppen des Gebiets der heutigen Ukraine. Hier hatten um etwa4000 v. Chr. Jäger Wildpferde zu domestizieren gelernt. Wie den Menschen in den Glücklichen Breiten, die Rinder, Schafe und Schweine domestiziert hatten, war es diesen Hirten ursprünglich um nichts weiter als um die Sicherung ihrer Fleischversorgung gegangen. Gegen 3300 v. Chr. jedoch kam einer von ihnen auf eine ganz große Idee. Die rasche Fortbewegung von einer Wasserstelle zur nächsten war in der Steppe oft eine Frage von Leben und Tod. Indem sie ihre kleinen Pferde vor Wagen spannten, verbesserten die Hirten nicht nur ihre Mobilität, sondern auch ihre Überlebenschancen.
Weitere Verbesserungen kamen zusammen, und um 2100 v. Chr. hatten Hirten im Gebiet des heutigen Kasachstan bereits größere, langbeinigere Pferde gezüchtet und dazu abgerichtet, leichtere Karren zu ziehen. Diese Pferde waren immer noch viel kleiner als die meisten unserer heutigen Rassen, aber die leichten Karren oder Wagen, die sie zogen, schlugen ganz groß ein. Kaufleute und/oder Migranten (wahrscheinlich ein kaum bekanntes Volk, die wir als Hurriter kennen) brachten sie gegen 1900 v. Chr. über den Kaukasus in den Fruchtbaren Halbmond. Zunächst benutzte man sie nur für den Transport, aber nachdem sie einmal ihren Platz im Kampf gefunden hatten – was ein, zwei weitere Jahrhunderte dauerte –, revolutionierten sie den produktiven Krieg.
Auch wenn Hollywood sie in seinen Sandalenschinken immer wieder als solche darstellt, waren Streitwagen keineswegs »Panzer«, mit denen man die feindlichen Linien durchbrach. Sie waren schwierig zu lenken und obendrein nicht sehr stabil (im 14. Jahrhundert mochten sie kaum fünfzig Kilo gewogen haben), und Pferde haben
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