Krieg – Wozu er gut ist
ein nie gekanntes Niveau. Wo andere Könige des 3. Jahrtausends lediglich gottgleich zu sein behaupteten, sahen die Pharaonen sich selbst als Götter; und wo andere Könige Zikkurats (Stufentempel) hatten errichten lassen, ließendie Pharaonen Pyramiden bauen (die Cheops-Pyramide von Gizeh ist mit einer Million Tonnen noch heute das schwerste Gebäude der Welt.)
Größenwahnsinnig, wie es heute anmuten mag, machte das gottgleiche Königtum sich ausgesprochen gut bei der Zentralisierung der Macht. Soweit sich das für uns beurteilen lässt, begann Ägyptens Aristokratie in einem Maße um die königliche Gunst zu buhlen, dass sie den gewalttätigen Konkurrenzkampf untereinander praktisch völlig vergaß, was uns mehr oder weniger an das Schema erinnert, das Elias 4 500 Jahre später für Europa konstatierte. Kunst und Literatur, soweit sie aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. überlebt haben, gestatten uns nur einen sehr allgemeinen Eindruck, aber alles in allem können wir nicht umhin, im Alten Reich – nach antiken Maßstäben, versteht sich – ein ausgesprochen friedliches Land zu sehen. Leviathan lief der Roten Königin langsam, aber sicher davon.
Standhalten
Im Lauf der folgenden Jahrhunderte gingen andere Ackerbaugesellschaften in den Glücklichen Breiten in etwa denselben Weg wie die in Vorderasien und Ägypten, die wir bereits unter dem Begriff »Fruchtbarer Halbmond« zusammengefasst haben. Wie zu erwarten, decken die Anfänge des Ackerbaus sich im Allgemeinen in etwa mit der Zeit, in der Städte, Leviathane und Befestigungsanlangen entstanden. Je dichter die Verfügbarkeit domestizierbarer Pflanzen und Tiere zum Ende der Eiszeit, desto früher begann man mit dem Ackerbau; und je früher man Felder zu bestellen begann, desto früher wurden Kriege produktiv.
Tabelle 2.1 lässt einige interessante Muster erkennen. Die Domestizierung von Pflanzen und Tieren begann in einer Region 2 000 oder 3 000 Jahre nach Beginn der Kultivierung, und Stadtmauern, gottgleiche Könige, Monumente in Pyramidenform, Schrift und Bürokratie begannen im typischen Fall 3 000 bis 4 000 Jahre nach Beginn der Domestizierung aufzutauchen (gegen 2800 v. Chr. im heutigen Pakistan, 1900 v. Chr. in China und 200 v. Chr. in Peru und Mexiko).
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Tabelle 2.1Der Caging-Prozess und die Evolution des Militärwesens, 10 000–1 v. Chr.
Militärische Entwicklungen sind kursiv gesetzt, gesellschaftliche normal. Die Verbindungslinien dienen lediglich dazu, die Phasen klarer hervorzuheben; sie implizieren nicht etwa Verbindungen zwischen Gebieten.
Tabelle 2.1 zeigt außerdem, dass Entwicklungen zur Bündelung neigten; sie tauchten vorzugsweise in Gruppen auf. Was die Alte Welt anbelangt, gilt das vor allem für die Erfindung von Bronzewaffen und -panzern. Diese ist im größeren Kontext einer Evolution im Militärwesen als zweite Revolutionzu betrachten und tauchte etwa zur gleichen Zeit auf wie Festungsanlagen, Städte und Staaten. Handwerker in Vorderasien hatten bereits 7000 v. Chr. (nur 500 Jahre, nachdem die Domestizierung so richtig in Fahrt gekommen war) mit Kupfer zu experimentieren begonnen, vor allem in Form hübscher Ornamentik. Es dauerte jedoch bis 3300 v. Chr., bis man richtige Bronze herzustellen lernte, indem man Kupfer mit Zinn oder Arsen zu mischen begann, um ein Metall zu bekommen, das hart genug für Waffen und Panzer war.
Die Bearbeitung von Bronze begann im Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds genau um die Zeit, als Leviathan in Uruk sich so ziemlich breit machte. Hier bestand wahrscheinlich eine Verbindung: Bronze taucht auch im Süden und Osten Asiens zur gleichen Zeit auf wie Städte und Staaten. (In Amerika verlief die Geschichte etwas anders; ich komme darauf in Kapitel 3 zurück.)
Der Einsatz von Metall auf dem Schlachtfeld scheint direkt zur dritten Revolution geführt zu haben. Es ist gewiss gut und schön, einen Speer mit einer Bronzespitze zu haben, ob man aber auch den Schneid dazu hat, damit auf jemanden zuzugehen und ihn abzustechen, steht auf einem ganz anderen Blatt, schon gar wenn der Betreffende und Hunderte seiner Freunde einen ihrerseits abzustechen versuchen. Mit anderen Worten: Um das Metall so richtig auszunutzen, bedurfte es der Erfindung der militärischen Disziplin, der Kunst, einen Soldaten dazu zu bekommen, standzuhalten, Befehle zu befolgen, anstatt davonzulaufen.
Es war dies zweifelsohne die wichtigste aller Revolutionen der ganzen Antike. Eine
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