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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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disziplinierte Armee unterscheidet sich von einem undisziplinierten Mob nicht weniger, als ein »Thrilla in Manila« *21 sich von zwei Betrunkenen unterscheidet, die aufeinander in einer Kneipe losgehen. Soldaten, die vorrücken und töten, wenn man es ihnen sagt, oder trotz siedendem Öl, Steinhagel und Pfeilregen eine Mauer stürmen, schlagen in der Regel die, die dazu nicht in der Lage sind. Die Evolution von einigermaßen verlässlicher Befehlsgewalt und Kontrolle, von Formationen, die Manöver mehr oder weniger wie befohlen ausführen, und Männern, die in der Regel tun, was man ihnen sagt, schuf eine ganz neue Situation.
    Leider können Archäologen Disziplin nicht ausgraben. Ich schätze, sie wurde in etwa zur selben Zeit spürbar, in der der zentral regierte Staat auftauchte, und dass man Kriege zu diesem Zeitpunkt (nach 3300 v.   Chr. imFruchtbaren Halbmond, um 2800 v.   Chr. im Indus-Tal und gegen 1900 v.   Chr. in China) im selben Maße in offenen Schlachten wie durch Überfälle und Belagerungen auszutragen begann. Junge Männer dazu zu überreden, in lebensbedrohlichen Situationen Befehlen zu gehorchen, gehört zu Leviathans größten Leistungen – wenn auch die Frage, wie die prähistorischen Oberen dies im Einzelnen bewerkstelligt haben, in Ermangelung handfester Daten zu den größten Rätseln der Archäologie gehört. Tatsächliche Belege für eine disziplinierte Truppe tauchen erst einige Jahrhundert später auf.
    Höhlenmalereien aus der Steinzeit, manche davon 10   000 Jahre alt, stellen immer wieder Gruppen von Männern dar, die mit Pfeilen aufeinander schießen und sich mit Speeren bewerfen (Abbildung 2.5); die Geierstele (Abbildung 2.6) dagegen, ein sumerisches Kalksteinrelief aus der Zeit um 2450 v.   Chr., ist grundlegend anders. Sie zeigt dichte, ganz offensichtlich disziplinierte Reihen von Infanteristen mit Helmen, Speeren und großen Schilden unter der Führung von König Eanatum von Lagaš. Die Männer aus Lagaš trampeln über ihre toten Feinde hinweg, und eine begleitende Inschrift spricht davon, dass Eanatum eine Feldschlacht gegen die Stadt Umma gewonnen habe, die einen Teil von Lagaš’ Ackerland besetzt hielt. Eanatum gliederte im Folgenden Umma und einen Gutteil des übrigen Sumer in sein Königreich ein.
    Die Sumerer waren augenscheinlich in der Lage, ihren Soldaten genügend Disziplin und Korpsgeist einzubläuen, um ihre Kriege mit Entscheidungsschlachten zu beenden. Man ging ungeachtet des Risikos auf Tuchfühlung, anstatt den Gegner in altbewährter Tradition zu überfallen und dann davonzulaufen. Um 2330 v.   Chr. konnte König Sargon von Akkad sich sogar rühmen, »5400 Männer dazu gebracht [zu haben], vor mir zu essen« 23 , was sich augenscheinlich auf ein stehendes Heer bezog. Seine Untertanen sorgten für Verpflegung, Wolle und Waffen, sodass seine Truppe sich ganz der Ausbildung widmen konnte.
    Wilde Krieger wurden zu disziplinierten Soldaten. Moderne Berufssoldaten haben Loyalität, Ehre und Pflicht zu Kardinaltugenden erhoben, weit entfernt von der faden Selbstsucht des Zivillebens. Die Disziplin von Sargons Soldaten hätte Caesars Zenturionen wahrscheinlich kaum groß beeindruckt, aber die Art Mann, die sich lieber niedermetzeln ließ, als Schande über sein Regiment zu bringen, tauchte wahrscheinlich zum ersten Mal in Sumer und Akkad im 3. Jahrtausend v.   Chr. auf.
    Die Folgen sind eindeutig. Akkad eroberte fast das gesamte Gebiet des heutigen Irak, besiegte in der Schlacht Lagaš, Ur und Umma und ließ ihreMauern schleifen. Sargon setzte Statthalter ein, befestigte Syrien und führte Feldzüge bis an den Kaukasus und das Mittelmeer. Sein Enkel überquerte sogar den Persischen Golf, wo »die Städte auf der anderen Seite des Meeres, zweiunddreißig an der Zahl, sich für die Schlacht verbündeten. Aber er war siegreich und eroberte ihre Städte und tötete ihre Fürsten.« 24
    [Bild vergrößern]
    Abbildung 2.5»Mord rufen und des Krieges Hund’ entfesseln«
    Chaotischer Kampf in einer prähistorischen Höhlenmalerei aus dem Felsunterschlupf Les Dogues in Spanien aus der Zeit zwischen 10   000 und 5   000 v.   Chr.

    Wie Rom 2   000 Jahre später, wurde Sargons Stadt Akkad reich mit dem Indienhandel, und wenn das Indus-Tal vor 2300 v.   Chr. noch keine halbwegs disziplinierten Armeen hatte, so erfuhr es wahrscheinlich auf diese Weise von ihnen. Es hat sich jedoch als besonders schwierig erwiesen, den Aufstieg solcher Armeen im südlichen Asien des

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