Krieger der Stille
werden. Seit dieser kleine blonde Ephebe vom Planeten Osgor, Spergus, zum Favoriten ihres Gemahls avanciert war, wurde ihre Position immer prekärer, denn die Hofschranzen – vor allem die Frauen – erkannten darin eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich wegen ihrer mittelmäßigen Stellung zu rächen. Sie alle hatten die Hoffnung genährt, eines Tages die erste Dame Syracusas zu sein, und nun warfen sie Dame Sibrit vor, sie sei frigide, und aus diesem Grund seien Ranti Ang Frauen gleichgültig. Natürlich hätten sie es vermocht, den Herrscher in ihr Bett zu ziehen, fügten sie dann hinter vorgehaltener Hand hinzu. Denn schließlich seien sie die Töchter des Hochadels und Expertinnen in der Kunst der Verführung und würden jede Variante der Erotik beherrschen, so wie sie vor siebenhundert Jahren vom größten Gelehrten der syracusischen Geschichte beschrieben worden war.
Sie waren nicht so dumm, diese Theorien vor Dame Sibrit zu entfalten, tuschelten aber mit falschem Lächeln hinter ihrem Rücken. Die Gemahlin des Herrschers jedoch hütete sich, ihnen die Frage zu stellen, warum ihre Ehemänner die Gesellschaft der Kurtisanen vorzögen. Sie schwieg, weil sie diese perfiden Spiele nie interessiert hatten. Und jetzt interessierte sie auch ihr eigenes Leben nicht mehr.
Nur eins war ihr noch wichtig: Sie wollte versuchen, ihre Kinder zu retten, die unschuldigen Opfer dieser Machenschaften. Noch vor Tagesanbruch hatte sie ein Minitonband besprochen, eine Botschaft verschickt und wartete jetzt auf Alakaït de Phlel, ihre Vertraute, die ebenfalls aus der Provinz stammte und die sie jeden Morgen aufzusuchen pflegte, ehe der Palast zum Leben erwachte.
Dame Sibrits Traum war eine Warnung. Vielleicht blieb
ihr Zeit genug, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Eine Wahnsinnsidee, die sie jetzt vor Ungeduld am ganzen Körper erzittern ließ.
Sie sah ihre Kinder nur einmal am Tag, beim morgendlichen Frühstück. Nur wenig Zeit konnte sie jedes Mal mit ihnen verbringen, denn sofort bemächtigten sich Hauslehrer und Hofmeister wieder der drei. Sie gehörten ihr nicht, trotzdem fühlte sie sich für ihre Kinder verantwortlich. Denn Dame Sibrit hatte sie nicht auf natürliche Weise empfangen – alle Freuden oder Leiden der sinnlichen Liebe waren ihr fremd -; sie war Jungfrau und Mutter, ein Status, der durch die EUIV-Befruchtung, ex-utero-in-vitro, möglich geworden war. Die Hof-Reproduktionsmediziner hatten ihr drei Eizellen entnommen, die dann mit sorgfältig ausgewählten Spermatozoen des Herrschers befruchtet worden waren. Die Feten waren in drei transparenten, mit Embryonalhüllen ausgestatteten runden Gefäßen herangewachsen. Dame Sibrit hatte persönlich das Wachstum überwacht, ein Vorgehen, das am Hof einen Skandal ausgelöst hatte. Die Hüter der Etikette hatten ihr daraufhin den Krieg erklärt und sogar die Kirche des Kreuzes informiert. Es war am Hofe verpönt, dass die Gattin des Seigneurs auf natürliche Weise gebar. Es galt als unappetitlich und unästhetisch. Schockierend, sie mit einem schwellenden Leib zu sehen. Doch die Kirchenfürsten hatten ihr verziehen, weil sie glaubten, dieses Fehlverhalten sei ihrer mangelnden Kultur zuzurechnen.
Dann hatten eines Tages, wie es das Brauchtum verlangte, die Mediziner den Brutkugeln drei Babys entnommen, zwei Jungen und ein Mädchen. Keines der Kinder ähnelte Dame Sibrit oder Seigneur Ranti. Einige Höflinge glaubten, eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrem Großvater,
dem verehrten Seigneur Arghetti, feststellen zu können. Bösartige Zungen hingegen behaupteten, das Sperma des Herrschers sei von derart geringer Qualität, dass man es durch das eines ausgewählten Samenspenders ersetzt habe.
Jedenfalls hatten die Hofgenealogen – zwei verkalkte alte Kerle, die man für ihre treuen Dienste mit diesem Ehrentitel ausgezeichnet hatte – durch den »Finger des Zufalls« bestimmt, welcher der beiden Knaben, Jonati oder Bernelphi, Thronerbe sein sollte. Das Schicksal hatte sich für Jonati entschieden. Das gefiel den Höflingen, denn sie konnten sich nicht vorstellen, dass Syracusa eines Tages von jemandem regiert werden könnte, der den lächerlichen Namen Bernelphi trug. Und der Seigneur Ranti Ang hatte anlässlich der Nominierung seines Sohns vier Tage dauernde Festivitäten angeordnet.
Dame Sibrits Liebesleben hatte sich also auf einen chirurgischen Eingriff beschränkt.
Ihre inzwischen sieben Jahre alten Kinder wurden nach syracusischer Tradition im Hinblick
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