Krieger der Stille
auf ihre später zu spielenden Rollen erzogen. So wurde Jonati von dem alten, erfahrenen Austin d’Elangeles, dem Regisseur eines von den Herrscherfamilien der Konföderation sehr geschätzten Videoholos: Anleitung zur allumfassenden Erziehung junger Prinzen, streng erzogen, während sich Bernelphi trotz seiner Abneigung gegen alles Militärische in der Kriegskunst üben musste, weil man ihm zum Trost, ohne seine Jugend in Betracht zu ziehen, den Titel eines Generals der syracusischen Armee – die völlig unbedeutend war und nur bei Paraden in Erscheinung trat – verliehen hatte. Die kleine Xaphit hingegen, ein fröhliches, aufgewecktes Kind, wurde von ältlichen Hofdamen in die
Etikette eingeweiht, was sich als zunehmend schwierig erwies.
Dame Sibrit brachte ihren Kindern zwar kaum mütterliche Liebe entgegen, nur ein vages, fernes Gefühl der Zärtlichkeit, das sie manchmal im Zusammensein mit ihnen überkam, trotzdem hatte sie jetzt, am frühen Morgen das dringende Bedürfnis, die drei vor dem Tod zu bewahren. Ihr Traum hatte sie nicht getäuscht: Denn der Konnetabel hatte mit Menati Ang ein Komplott geschmiedet. Sie wollten Ranti Ang stürzen und seine Erben vernichten. Deshalb musste sie alles unternehmen, um ihre Kinder zu retten. Und dazu brauchte sie Alakaït de Phlels Hilfe. Sie war ihre einzige aufrichtige und treu ergebene Freundin am Hofe. Ungeduldig umklammerte sie ihren Messacode.
Rose Rubis stieg hinter dem gezackten Gebirgszug von Mesgomien auf, und langsam öffneten die mauvefarbenen Ophegliden – die Blumen der Liebe und der Leidenschaft, welche Ironie! – ihre Blütenkelche.
Die schmale Silhouette von Dame Alakaït zeichnete sich jetzt in der Tür zum Garten ab. Sie besaß nicht die Schönheit der meisten Hofdamen: sie hatte eine lange Nase, einen schmalen Mund und ein fliehendes Kinn. Fehler, die sie nicht durch zellulares Modellieren hatte korrigieren lassen. Sie trug einen blassgelben Colancor, darüber eine beige, geschlitzte Tunika und smaragdgrüne Armbänder. In der Eile hatte sie sich nicht geschminkt, was ihr strenges Aussehen noch unterstrich.
»Madame! Was macht Ihr hier draußen zu so früher Stunde? Und nicht einmal schicklich gekleidet!«, schimpfte sie zur Begrüßung. »Man wird Euch noch für eine von denjenigen halten, die die Rückkehr zur Natur propagieren.«
»Das ist doch nicht von Bedeutung!«, entgegnete Dame Sibrit. »Mein Cape schützt mich vor Blicken …«
»Möge die Kirche des Kreuzes uns beschützen!«, rief Alakaït entsetzt, obwohl sie den Leichtsinn ihrer Herrin kannte. »Es fehlt noch, dass Euch alle nackt sehen können. Wisst Ihr eigentlich, dass allein die Tatsache, ohne Colancor zu schlafen – wie Ihr es zu tun pflegt – ausreicht, um von der heiligen Inquisition angeklagt zu werden? Das Nacktsein wird nicht geduldet, außer während des täglichen Bades oder … oder … der geschlechtlichen Vereinigung … Verzeiht meine kühnen Worte, Madame …«
Dame Alakaït biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte einen besonders wunden Punkt berührt und schalt sich wegen ihrer Taktlosigkeit. Denn sie litt fast ebenso wie ihre Herrin unter deren Einsamkeit.
»Das alles ist jetzt kaum noch von Bedeutung«, murmelte die Gattin des Seigneurs von Syracusa. »Jedenfalls nicht mehr als diese absurden Kleidervorschriften.«
»Madame, fordert nicht das Schicksal heraus!«, flehte Alakaït. »Ich sterbe noch vor Angst.«
»Hört mir jetzt genau zu, Dame Alakaït! Uns bleibt nur noch sehr wenig Zeit …«
»Warum? Was gibt es? Im Namen der Kirche des Kreuzes …«
»Hört mir jetzt zu. Unterbrecht mich nicht, und stellt mir keine Fragen!«, entgegnete Dame Sibrit in befehlendem Ton.
»Ihr geht gleich ganz normal aus meinen Gemächern und begebt Euch so diskret wie möglich zu jedem meiner Kinder. Sagt den Hauslehrern, dass ihre Mutter sie dringend zu sprechen wünsche. Sollte es nötig sein, setzt Eure Autorität als erste Hofdame ein.«
»Aber wenn die Hauslehrer sich trotzdem weigern …«
»Ich habe Euch gebeten, mich nicht zu unterbrechen! Macht, was Ihr wollt, aber bemächtigt Euch der Kinder! Verlasst den Palast durch eine der unzähligen Geheimtüren. Ich bin mir sicher, Ihr kennt sie alle. Bestecht die Roten Garden, wenn es sein muss. Wenn Ihr draußen seid, nehmt ihr eine Taxikugel und fliegt zum Platz der Artibanischen-Kriege. Mein älterer Bruder, Moulik de Ma-Jahi, hält sich dort zurzeit im Hotel Claudius-Augustus auf. Ihm vertraut
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