Krieger der Stille
ihr die Kinder an, und außerdem gebt Ihr ihm diesen Messacode. Er ist mit einem Sprachdekoder ausgestattet.«
Dame Alakaït musterte forschend das Gesicht ihrer Herrin. Sie konnte aber nicht den geringsten Spott in deren schönen dunklen Augen erkennen wie manchmal früher, wenn Dame Sibrit ihre Scherze mit ihr getrieben hatte. Ihr alabasterfarbenes Gesicht sah müde und krank vor Sorge aus.
»Hättet Ihr die Güte mir mitzuteilen, worum es geht, Madame?«, flehte Alakaït de Phlel. »Steht das in einem Zusammenhang mit dem tragischen Schicksal Eurer Freunde Tist und Maryt d’Argolon vergangene Nacht? Hat es etwas mit den Gerüchten über die Asma zu tun?«
»Höchstwahrscheinlich … Aber mehr kann ich Euch dazu nicht sagen. Je weniger Ihr wisst, umso weniger seid Ihr in Gefahr. Sogar durch die Tatsache, dass Ihr im Prinzip durch Eure Gedankenhüter geschützt seid … Dame Alakaït, wollt Ihr mir helfen?«
Die Hofdame sah Dame Sibrit einen langen Moment sehr traurig an. »Ich beuge mich Euren Wünschen, Madame. Vertraut mir Euren Messacode an.«
Dame Sibrit reichte ihr die kleine schwarze Rolle. Dame
Alakaït nahm sie, steckte sie in die Innentasche ihrer Tunika und ging.
Dame Sibrit berührte sanft die großen Blütenblätter der jetzt ganz geöffneten Ophegliden, die einen betörenden Duft ausströmten. Ein letztes Mal ließ sie den Blick über die Gärten und die darunter liegende Stadt mit dem Fluss schweifen. Sie trank sich an der Schönheit dieses Panoramas satt.
Dann ging sie wieder in ihr Schlafgemach, in dem sie noch immer die Schatten ihres Albtraums spüren konnte. Sie drückte auf einen Schalter über ihrem Nachttisch, und neben dem Bett glitt langsam eine mit parfümiertem Wasser gefüllte Badewanne empor, die von Kacheln umgeben war. Über die mit Fresken bemalte Decke schob sich ein Vergrößerungsspiegel, der direkt auf die Wanne gerichtet war, damit die Badende, falls sie es wünschte, jeden Quadratzentimeter ihrer Haut betrachten konnte.
Dame Sibrit ließ ihr Cape von den Schultern gleiten. Die kühle Brise auf ihrem nackten Körper vermittelte ihr das wunderbare, so lange entbehrte Gefühl der Freiheit. Sie genoss es. Sollte einer der Bediensteten sie überraschen, würde sofort am Hof geklatscht werden, dass die erste Dame Syracusas in einen Zustand animalischer Nacktheit zurückgefallen sei, ein Sakrileg. Und sollte diese Gotteslästerung der Kirche des Kreuzes zu Ohren kommen, würde man ihr sofort den Prozess machen. Aber heute kümmerten sie Geschwätz und Inquisition nicht mehr. Sie war wieder Sibrit de Ma-Jahi, das freie und wilde junge Mädchen, das mit bloßen Schenkeln die starken gehörnten Schigalins ritt und nackt, mit offenem Haar in den eiskalten Gebirgsbächen badete.
Sie ließ sich in das duftende Wasser gleiten und hatte
kaum Muße, sich ihrem Wohlbefinden hinzugeben, als die Tür brutal lärmend aufgestoßen wurde und sie gleich darauf polternde Schritte und Stimmengewirr hörte.
Dame Sibrit hielt den Atem an. Ihre Feinde hielten es nicht einmal für nötig, ihr Zeit genug zu lassen, sich angemessen auf den Tod vorzubereiten.
Sie war auf Pamynx oder Menati Ang gefasst, doch es war der Seigneur Ranti Ang, der in Begleitung seiner vier Gedankenschützer ihr Schlafgemach betreten hatte. Sein Gesicht mit den feinen Zügen war unbewegt. Doch manchmal verlor er die Kontrolle über seine Emotionen. Dann funkelten seine blauen Augen vor Zorn. Über seinem weißen Colancor trug er einen eleganten, langen nachtblauen Mantel mit einem breiten, bis über seine Schultern fallenden Kragen. Mit weit ausholenden Schritten ging er auf die Wanne zu.
»Madame!«, sagte er in aggressivem Ton. »Ihr habt mich zu früher Stunde wegen einer dringenden Angelegenheit zu Euch rufen lassen, und ich finde Euch im Bade vor? Kleidet Euch sofort an, und habt die Güte, mir zu erklären, um was es geht. Wie Ihr sehr wohl wisst, hasse ich es, im Morgengrauen aufstehen zu müssen.«
Stumm beugte sich Dame Sibrit über den Rand der Wanne. Sie nahm ihr Cape und bedeckte sich.
»Verzeiht mir, Monseigneur«, sagte sie sanft, »aber ich habe Euch nicht zu mir gebeten …«
»Wie das?«, explodierte Ranti Ang. Er war noch nicht ganz wach und hatte schlechte Laune. Deshalb war seine mentale Kontrolle so gut wie nicht vorhanden. »Behauptet Ihr, dass der Messacode, den ich vorhin bekommen habe, nicht von Euch stammt?«
»Ich schwöre Euch bei allem, was in der Welt heilig ist,
dass ich Euch keinen
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