Krieger der Stille
jenes unerlässlichen Leitfadens, der ihn mit der Ewigkeit verband. Während jener zwischen Zeit und Raum schwebenden Momente war er mit allen Elementen verbunden, aus denen sich das Universum zusammensetzt.
Er war gleichzeitig alles und nichts, das Zentrum und der Kreis, der Handelnde und der Zuschauer. Sein gesamtes Wesen veränderte sich, sein Wahrnehmungsvermögen wurde größer. Und er begriff, dass seine Erkenntnisse im Augenblick noch zu spärlich waren, um ihm eine umfassende, universale Vision zu gestatten und dass er mehr Zeit brauchte, um jene Rolle spielen zu können, die die Schöpfung für ihn vorgesehen hatte.
Kehrte er von seinen langen inneren Entdeckungsreisen zurück, badete er in Gesellschaft der Wale im Meer. Sie rührten sich nicht, weil sie ihn durch eine mehr oder weniger heftige Bewegung hätten verletzen können. Das
eisige Wasser prickelte auf seiner Haut, und er musste an den Fluss denken, in den Stanislav Nolustrist ihn lachend gestoßen hatte. Manchmal konnten sich die jungen Monager nicht mehr bremsen. Sie tauchten unerwartet unter ihm auf und trugen ihn auf ihren gewaltigen Rücken davon, weit aufs Meer hinaus, ohne sich um Kacho Marums empörtes Rufen zu kümmern. Doch sie übertrieben den Spaß nie, sondern brachten den Oranger unter spöttisch klingenden Schreien an den Strand zurück.
Noch immer war von Kwen Daël kein Lebenszeichen zu sehen, und diese lange Abwesenheit beunruhigte Tixu immer mehr. Aphykits ausgedehnten Spaziergängen rund um die Insel nach zu urteilen, ging es ihr immer besser. Er sah sie nur aus der Ferne, denn seit ihrem letzten Gespräch in der Höhle ließ er sie allein und begnügte sich damit, täglich eine Schüssel voller Algen vor ihr Refugium zu stellen.
Zeit hatte keine Bedeutung mehr, und ihm war, als würde er schon seit Jahrhunderten auf dieser Insel leben.
Als Tixu an diesem Morgen durch das Antra die Stille erreicht hatte, schlug er einen ihm bisher unbekannten Pfad ein.
Plötzlich stand er im Reisebüro auf Zwei-Jahreszeiten, im Deremat-Raum, vor dem runden schwarzen Apparat. Ohne Zögern stieg er hinein und löste sich sofort auf. Dann erreichte er den Kern der Materie, die Leere, die unendliche Weite, die Geburtsstätte aller Atome, Moleküle und komplexeren Gebilde. Ein ungeheurer, fast unerträglicher Energiestrom durchfuhr ihn. Davon erwachte er.
Er saß nicht mehr auf dem Felsen wie kurz zuvor, sondern am Strand, zwischen den Monagern. Zuerst glaubte
er zu träumen, doch das seltsame Gebaren der Meeressäuger zeigte ihm, dass seine Freunde gerade etwas Ungewöhnliches erlebt haben mussten.
Sofort schloss er wieder die Augen und begab sich in die heilige Festung der Stille. Aufs Neue öffnete sich ihm ein Pfad. Ein heller Schein am Ende rief ihn dieses Mal. Er beschritt ihn und wurde sofort wieder vor den alten Deremat der InTra gebracht. Noch einmal verschmolz er mit der Maschine, gab rein gedanklich die nötigen Anweisungen. Ein Energiestoß durchfuhr ihn. Er öffnete die Augen und stellte fest, dass er wieder auf dem Felsen saß, von panisch auffliegenden und kreischenden Gelbmöwen umgeben.
Außer der hektischen Reaktion der Vögel ließ nichts vermuten, dass es ihm allein durch die Kraft seiner Gedanken gelungen war, von einem Ort der Insel zu einem anderen zu gelangen. Nur wurde er jetzt von einer ungewöhnlichen Müdigkeit ergriffen, denn normalerweise fühlte er sich nach seinen Antra-Übungen zu dieser frühen Stunde stark und ausgeruht.
Deshalb wollte er dieses Experiment wiederholen, aber das Antra schwieg. Da begriff er, dass er sich ausruhen müsse. Er nahm ein belebendes Bad im Meer, und die jungen Monager waren heute besonders fröhlich. Sie peitschten das Wasser mit ihren Flossen und stritten darum, wer ihn auf seinem Rücken tragen dürfe. Erst ein Machtwort Kacho Marums konnte ihre Begeisterung dämpfen.
Nach dem Bad legte sich Tixu, in seine Decke gehüllt, auf eine Düne und schlief den ganzen Tag tief und fest.
Ein pestilenzartiger Gestank entströmte seinem roten, dreckigen Overall. Halbherzige Versuche, das Kleidungsstück im Meer zu waschen hatten den Geruch noch unerträglicher
gemacht. Jetzt zog er das Ding nicht mehr an. Auch auf seine Stiefel verzichtete er und spazierte völlig nackt über die Insel. Es war ihm egal, was Aphykit von ihm dachte, sollte sie ihn überraschen. Sein Körper gewöhnte sich ungewöhnlich schnell an den ungeschützten Aufenthalt im Freien, und die Wolldecke genügte, ihn
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