Krieger der Stille
geschickt …«
»Der Mahdi ist seit über vierzig Jahren tot!«, sagte Tixu langsam. »Er wurde von einigen alten Rittern ermordet … Und diesen machtgierigen Alten ist es gelungen, seinen Tod zu verschleiern.«
»Sie lügen!«, schrie Aphykit. Ihre Augen blitzten wütend auf. Sie hatte ihre Emotionen nicht mehr so gut wie auf Zwei-Jahreszeiten unter Kontrolle.
»Sie lügen«, wiederholte die junge Frau. »Wäre der Mahdi
ermordet worden, hätte Sri Mitsu davon erfahren und meinen Vater davon in Kenntnis gesetzt. Sie haben das alles nur erfunden, weil Sie nicht zugeben wollen, dass Sie eifersüchtig sind.«
Tixu wurde blass, beherrschte sich aber.
»Es stimmt, ich war eifersüchtig«, murmelte er. »Aber nicht aus diesem Grund habe ich …«
Als hätte Aphykit plötzlich eine dunkle Vorahnung, fragte sie: »Was ist mit dem Krieger Filp Asmussa geschehen?«
»Es gibt eine geringe Hoffnung, dass er die Schlacht zwischen dem Orden und der kaiserlichen Armee überlebt hat …«
»Nein! Das stimmt nicht. Sie lügen!«
Erschöpft ließ sie sich gegen die Felswand sinken und fing zu weinen an. Für sie, die immer so stolz auf ihre emotionale Kontrolle gewesen war, ja, jeden Gefühlsausbruch verachtet hatte, waren diese Tränen der Beweis einer bitteren Niederlage. Vergeblich versuchte sie, sich vom Gegenteil zu überzeugen, sie fühlte, dass der Reisebüroangestellte die Wahrheit gesagt hatte. Nie würde sie Filp wiedersehen, den Mann, für den ihr Herz geschlagen hatte. Und was ihre lange Jahre mühsam erworbene emotionale Kontrolle betraf, so war sie wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt, und allein würde sie nicht die Kraft haben, diese Fähigkeit wiederzuerlangen. Von jetzt an war sie dazu verdammt zu leiden. Ihre Gefühle und diese Krankheit hatten ihre Willenskraft besiegt, diese Kraft, die sie für unzerstörbar gehalten hatte. Sie war zu einem ganz gewöhnlichen menschlichen Wesen geworden und hatte niemandem mehr, an dessen Schulter sie sich ausruhen konnte.
Verbittert fragte sich Aphykit, warum sie jetzt gesund geworden war, wenn sie doch so verletzbar war.
»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte Tixu schüchtern. Noch immer war er gekränkt, trotzdem hätte er Aphykit am liebsten in die Arme genommen, um sie zu trösten.
»Lassen Sie mich allein! Gehen Sie … bitte …«
Tixu erfüllte die Bitte der jungen Frau. Zutiefst betrübt marschierte er lange Zeit über den Felsengrund der Insel, bis er ganz erschöpft war. Inzwischen war ein Sturm aufgekommen und schaumgekrönte Wellen bildeten sich auf der aufgepeitschten Oberfläche des Meeres. Das Unwetter erregte die Monager. Sie blieben nicht länger faul am Strand liegen, sondern stürzten sich mit Freudenschreien in die aufgewühlte See und spielten ohne zu ermüden in den entfesselten Elementen.
Von jenem Tag an entwickelte sich eine seltsame Beziehung zwischen Tixu und Aphykit. Nachdem der Monager Kacho Marum Tixu morgens die Algen gebracht hatte, trug der Oranger eine Portion der kräftigenden Pflanzen zum Eingang der Höhle und stellte sie dort ab. Dann kletterte er über die Felsen und streckte sich auf einem Vorsprung aus, den die junge Frau nicht einsehen konnte.
Eine Weile später erschien Aphykit. Nachdem sie sich schnell umgeschaut hatte, nahm sie das Gefäß und verschwand wieder im Halbdunkel ihres Zufluchtsorts. Beruhigt über ihr Wohlergehen spazierte Tixu dann zum Strand, wo er die Monager begrüßte und jeden mit Namen nannte. Dieses Ritual freute die Wale, denn sie beantworteten seine Begrüßung mit melodiösen heiteren Gesängen.
Daraufhin suchte er sich eine abgelegene Stelle, um zu
meditieren. Er war immer nüchtern, wenn er sich in das Antra vertiefte, weil er aus Erfahrung wusste, dass seine Reisen ins Innere auf diese Weise intensiver war.
Es konnte geschehen, dass er einen ganzen Tag in diesem Stadium verharrte, auf einem Felsen, dem Ozean der Feen von Albar gegenübersitzend. Manchmal öffnete er – durch den Schrei oder den Gesang eines Monagers gestört – plötzlich die Augen und sah dann flüchtig die Gestalt Aphykits, die ebenfalls überrascht, hastig wieder Zuflucht in ihrer Höhle suchte.
Nach und nach gelangte Tixu zu der Überzeugung, seine Existenz einer komplexen Evolution zu verdanken und dass ihn sinnliche Wahrnehmungen daran hinderten, zu den Wurzeln seines Seins zurückzufinden. Während langer Stunden der Meditation tauchten bruchstückhaft Erinnerungen in ihm auf und Fragmente
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