Krieger der Stille
Scaythen Sie entdecken, werden sie bald wissen, wo wir uns verstecken.«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bleibe auf See.«
Kwen Daël verabschiedet sich schnell und watet unendlich vorsichtig durch die im seichten Wasser liegenden Monager. Dann klettert er an Bord seiner Aquakugel, schaltet den Motor ein und fährt in weitem Bogen aufs Meer hinaus, um nicht den heimkehrenden Säugern zu begegnen. Schon bald verschwindet sein Boot hinter einer Nebelwand.
Tixu verbringt also die erste Nacht allein mit Aphykit. Die beiden liegen in dicke Wolldecken eingehüllt auf der Düne. Tixu hat sie in einem der wasserdichten, von dem Fischer zurückgelassenen Behälter gefunden. Beim Gekreische der Seemöwen und den rauen Schreien der Monager kann er nicht einschlafen. Der Lärm wird immer größer. Da steht er auf und sieht, wie zwei Wale am Strand heftig miteinander kämpfen. Die ganze Insel scheint beim Aufprallen ihrer massigen Leiber zu erbeben.
Beim Morgengrauen wird er von einer starken Migräne geplagt und von heftigen Rückenschmerzen. Tau hat die Decken durchweicht und von Nässe schwer gemacht.
Als er Aphykit ansieht, glaubt er, dass sie die Nacht nicht überlebt hat. Ihre Reglosigkeit und ihre wächserne Blässe lassen vermuten, dass der letzte Funke Leben aus ihr gewichen ist. Tixu beugt sich angsterfüllt über sie
und legt sein Ohr auf ihre Brust. Ihr Herz schlägt, ab sehr schwach, der Puls ist unregelmäßig. Er legt seine Decke noch über die ihre, mehr kann er im Moment nicht tun. Ein unbändiger ohnmächtiger Zorn überkommt ihn.
Habe ich sie etwa aus dem Kloster gerettet, damit sie mir hier, an diesem von den Göttern verlassenen Ort, unter den Händen wegstirbt?, fragt er sich.
Er setzt sich auf die sandige Hügelkuppe und blickt auf den Strand hinunter, wo sich die Monager von ihren nächtlichen Spielen erholen. An manchen Stellen reißt die Wolkendecke über dem ruhigen Meer auf, und Strahlen einer bleichen Sonne fallen auf das Wasser. Friede herrscht über der Insel.
Er schließt die Augen und lässt sich ganz und gar von dieser magischen Atmosphäre durchdringen. Das subtile Vibrieren des Antra trägt ihn ins Zentrum der inneren Stille und erlaubt seiner Seele, mit der hier herrschenden Harmonie zu verschmelzen – mit einem Ort eins zu werden, der vom Universum isoliert ist. Die zehrenden Flammen seines ohnmächtigen Zorns erlöschen und lassen nichts als erkaltete Asche zurück. Aus der Stille erklingt die leise Stimme der Intuition. Und sie rät ihm, die Monager zu beobachten, wenn er ein Heilmittel für Aphykits Krankheit finden will.
Eine absurde Idee! Warum sollten diese prähistorischen Lebewesen den Heilern des Klosters überlegen sein?
Trotzdem verschließt sich Tixu diesem Gedanken nicht. Er kann es sich nicht leisten, auch nur die geringste Überlegung außer Betracht zu lassen. Deshalb beobachtet er den ganzen Tag die großen Meeressäuger.
Sie ernähren sich hauptsächlich von Braunalgen, die sie unter Wasser ›abweiden‹, aber nicht sofort hinunterschlucken,
sondern an den Strand bringen und dort anhäufen, ehe sie die Pflanzen verzehren.
Oft unterbricht er seine Beobachtungen und kümmert sich um Aphykit. Trotz aller seiner Bemühungen will sie noch immer nichts zu sich nehmen und wird von Stunde zu Stunde schwächer.
Erst bei Anbruch der Dämmerung fällt Tixu das seltsame Gebaren eines großen Monagers auf, in dem er zum zweiten Mal seinen Retter zu erkennen glaubt. Der Wal hat eine große Menge smaragdgrüner transparenter Algen am Fuß ihrer Düne aufgehäuft. Ständig taucht er wieder ins Meer, um jedes Mal mit einer großen Menge dieser Pflanzen im Maul aufzutauchen, die er dann ablegt. Darauf starrt er Tixu mit seinen sechs runden und weißen Augen an, stößt klagende Schreie aus und peitscht, wie um Verständnis heischend, mit seiner riesigen Schwanzflosse auf den Sand.
Endlich hat Tixu begriffen. Er stürmt die Düne hinunter, greift trotz seines Widerwillens in den glibbrigen Tang, rennt zu den Felsen, stopft die Masse in eine Aushöhlung und zerstößt sie mit einem Stein zu Brei. Und während er hektisch arbeitet, wird sein Tun von Lauten des Monagers begleitet, die jetzt wie Freudenschreie klingen.
Dann füllt Tixu den Brei in ein Gefäß und bringt es voller Hoffnung Aphykit. Und dieses Mal wehrt sie sich nicht. Sie öffnet den Mund und lässt sich mit der wenig appetitlichen Speise füttern.
Im Laufe der nächsten Tage kommt Aphykit durch die
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