Krieger der Stille
Verabreichung dieser eigenartigen heilsamen Nahrung immer mehr zu Kräften. Da Tixus Lebensmittelvorrat erschöpft ist, beschließt er, ebenfalls diese Algen zu essen,
die der große Monager ihm täglich liefert. Wenn er nicht die junge Frau pflegt, beobachtet er weiter die Wale und kann sie bald unterscheiden. Also gibt er ihnen Namen. Seinen Retter, den großen Monager, der ihn jetzt täglich mit den lebensspendenden Algen versorgt, nennt er Kacho Marum, weil er ihn an den Ima auf Zwei-Jahreszeiten mit seiner angeborenen Würde und seinen Kenntnissen der Natur erinnert.
Wenn Aphykit schläft, spaziert Tixu inmitten der Monager am Strand umher. Manchmal streichelt er die weiche Haut der Kleinen. Er tauft sie Zweihorn, Kleiner Grauling oder Stanislav, und wenn er sie berührt, durchläuft ein langes, wohliges Schaudern ihre Körper. Wann immer er sich ihnen nähert, bleiben sie ohne sich zu rühren liegen, als fürchteten sie, dass sie durch ihre Bewegungen ihrem Zwergenfreund gefährlich werden könnten.
Durch den Genuss der anfangs bitter schmeckenden Algen wird er von Tag zu Tag kräftiger, und wenn er jetzt nach nur ein paar Stunden Schlaf aufsteht, fühlt er sich ausgeruht und stark.
Bei Sonnenaufgang sitzt er auf einem Felsen, in das Antra vertieft, in die Stille seiner Seele versunken …
Als an diesem Morgen ein silbriger Schein durch den Frühnebel drang, erlebte Tixus seine Geburt mit schmerzhafter Intensität. Dieses quälende Hinausgleiten aus dem warmen mütterlichen Leib in die Kälte einer unbekannten Welt; diese plötzliche grelle Helligkeit, die seinen Augen wehtat; dieses Ringen nach Luft, das in einem Schrei endete; dieses Durchtrennen der Nabelschnur, die ihn mit der Ewigkeit verband. In Schweiß gebadet und keuchend erwachte er aus diesem visionären Traum und war einem
Nervenzusammenbruch nahe. Er litt und fühlte sich gleichzeitig frei.
Auch an den folgenden Morgen wurde er von visionären Träumen heimgesucht. Sie stammten aus unbekannten Welten längst untergegangener Zivilisationen, doch ihm schien, dass er einer ihrer Zeitzeugen gewesen sei. Denn sie riefen bisher verschüttete Erinnerungen in ihm wach, an einst gelebte Leben und gemachte Erfahrungen, die ihn zu dem Mann geformt hatten, der er nun war.
Aphykits Genesung machte spektakuläre Fortschritte. Sie war nicht mehr so blass, und ihre Augen strahlten wie früher. Sie konnte sogar schon aufstehen und ein paar Schritte gehen.
Im Gegensatz zu ihrer physischen Gesundung verhielt sie sich Tixu gegenüber kühl und mit leiser Verachtung, die in dem Maße zunahm wie ihre Kräfte wuchsen. Wenn er von seinen Meditationen zurückkehrte, fand er sie oft sitzend vor, eine Decke über ihre Schultern gelegt und fast wütend ihre Algen kauend. Dann glaubte er ein zorniges Funkeln in ihren Augen zu erkennen. Was warf sie ihm vor? Dass er sie trotz ihres Widerstands aus dem Kloster entführt und auf diese einsame, von Monstern bewachte Insel gebracht hatte?
Eines Abends, als er sich gerade zum Schlafen niederlegen wollte, stand sie auf und ging mit unsicheren Schritten zu einer etwa hundert Meter entfernten Felshöhle. Nachdem er die halbe Nacht darüber nachgedacht hatte, was er tun sollte, ging er bei Tagesanbruch zu ihr. Sie saß da, an die Wand gelehnt, und wirkte gedankenverloren.
Als sie ihn bemerkte, richtete sie sich wütend auf, als fühlte sie sich auf ihrem Territorium bedroht. Nur mit
dem blauen Hemd bekleidet und ihrem langen glänzenden Haar sah sie sehr schön aus.
»Ich wollte mich nur vergewissern, ob es Ihnen gut geht«, sagte er vorsichtig.
»Machen Sie sich um mich keine Sorgen«, antwortete sie mit schwacher Stimme.
Es war das erste Mal seit ihrer Begegnung auf Zwei-Jahreszeiten, dass sie einen zusammenhängenden Satz sprach.
»Wie es scheint, geht es Ihnen besser …«
»Warum haben Sie mich entführt?«, fragte sie mit einem aggressiven, fast arroganten Unterton.
»Weil der Orden kurz vor dem Untergang stand und Sie dann unweigerlich in die Hände des neuen Herrschers gefallen wären«, antwortete er ruhig.
»Neuen Herrschers?«
»Seit Sie mit diesem Virus infiziert wurden, ist viel geschehen. Sie können sich wahrscheinlich an gewisse Einzelheiten erinnern, aber ich bezweifle, dass Sie von den Ereignissen wissen, die das Gleichgewicht des gesamten Universums zerstört haben. Der Orden wurde …«
»Das glaube ich Ihnen nicht! Das hätte der Mahdi Seqoram niemals zugelassen! Sri Mitsu hat mich zu ihm
Weitere Kostenlose Bücher