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Krieger der Stille

Krieger der Stille

Titel: Krieger der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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vergessen.«
    »Ich muss noch einmal fragen: Warum ich?«
    »Das musst du selbst herausfinden, junger Gast. Die Große Echse irrt sich nie. Da du das Geschenk des Lebens verdient hast, musst du es nun für einen guten Zweck einsetzen. Kannst du aufstehen?«
    »Ich weiß nicht … Ich glaube, ja …«
    Tixu richtete sich vorsichtig auf. Nichts tat ihm mehr weh. Ermutigt stand er auf und machte ein paar zögernde Schritte. Seine nackten Füße gingen über große plattgeschliffene Knochen, die mit Bändern zusammengehalten wurden. Er hatte das Gefühl, über eine weiche und warme Erdschicht zu gehen.
    »Wie schön! Wie schön!«, freute sich Kacho Marum. »Du bist wieder in Form. Die Echsen haben dir viel Gutes getan!«
    Allmählich hatte sich Tixu an den strengen Geruch gewöhnt. Er störte ihn nicht mehr. Auf den einfachen Regalen an den Wänden standen Gefäße unterschiedlicher
Größe, die bernsteinfarbene Flüssigkeiten in den verschiedensten Stadien der Mazeration enthielten. Mit einem dieser Öle hatte Malinoë ihn behandelt.
    »Siehst du: Die Mauern meines Hauses, der Boden meines Hauses, das Dach meines Hauses, das alles wurde aus den Körpern der Echsen gebaut«, sagte der Ima voller Stolz. »So leben Malinoë, meine Kinder und ich ständig im Leib der Echsen, und sie beschützen uns Tag und Nacht, sowohl während der Regenzeit als auch während der Trockenzeit. Die Matratze, auf der du gelegen hast, ist aus der Blase der Echse gefertigt, die Zudecke aus ihrer Haut. Was können uns die Dämonen des Waldes und die Dämonen anderer Welten da noch anhaben?«
    Tixu lächelte, ein zugleich ungläubiges wie zustimmendes Lächeln. Neue Energie pulsierte durch seine Venen und breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Eine Energie, so frisch und klar wie eine sprudelnde Quelle aus Felsengestein. Das Leben nahm wieder von ihm Besitz. Jetzt wollte er endlich ein Land erobern, das lange brachgelegen hatte. Der Tod hatte ihn berührt; und er schuldete dem Schamanen sein Überleben, einem Mann, den der Zufall gerade in diesem Moment an den Fluss geführt hatte. Ein Zufall? Oder die Vorsehung? War das wichtig?
    Zum ersten Mal seit Tixu in dieser seltsamen Behausung die Augen geöffnet hatte, war er sich bewusst, dass er lebte und dass das Leben ihm wundervolle, einzigartige Chancen bot. Und ein Geschenk war, wie Kacho Marum gesagt hatte.
    »Und jetzt gehen wir essen! Du wirst sehen, wie schön der Wald von meinem Haus aus gesehen ist.«
    Die Freude des Imas war wohl damit verbunden, dass
er an Tixus Wiedergeburt teilnahm. Er stand mit einer geschmeidigen Bewegung auf und verließ den Raum, der Oranger folgte ihm. In dem anderen Zimmer rührte Malinoë in einem großen elfenbeinfarbenen Topf, der über einer offenen Feuerstelle hing.
    Drei Kinder spielten in der Nähe. Jetzt liefen sie zu Tixu, berührten und kitzelten ihn. Ihr Vater rief sie zur Ordnung. Der Älteste, ein etwa zehnjähriger Junge, und seine Geschwister setzten sich brav in eine Ecke, doch in ihren Augen war alles andere als Gehorsam zu lesen.
    Malinoë drehte sich um, schob ihr dichtes schwarzes Haar beiseite und sagte lächelnd zu Tixu: »Du geheilt? Gut, gut!«.
    »Ja … ehm … ich möchte mich bedanken für …«, entgegnete der Oranger, ebenfalls lächelnd.
    »Kein Dank!«, unterbrach Kacho Marum ihn. »Malinoë und ich haben nur unsere heilige Pflicht erfüllt, die darin besteht, den Göttern zu gehorchen. Und einer heiligen Pflicht gebührt kein Dank.«
    Das Zimmer war ähnlich wie der Raum ausgestattet, in dem Tixu gelegen hatte. Dieselben Materialien, dieselbe Einfachheit. Mit einem Unterschied: anstelle der Matratze lagen braune Kissen auf dem Boden – Sitzgelegenheiten? Sie waren um ein Viereck aus durchsichtigem Material gruppiert. Aus einer schmalen Öffnung im Dach fiel Licht in den Raum, und die belaubten Zweige eines Asts ragten ins Innere.
    Kacho Marum öffnete die Tür. Durch sie gelangte man auf eine Terrasse ohne Geländer. Der Boden war so uneben, dass sich an manchen Stellen Pfützen gebildet hatten. Als Tixu dort stand, Wind und Regen ausgesetzt, wurde ihm zum ersten Mal bewusst, dass er, genau wie
seine Gastgeber, völlig nackt war. Bis jetzt hatte er diesen Zustand nicht einmal wahrgenommen, vielleicht weil die Nacktheit bei den Sadumbas ein gesunder natürlicher Zustand ohne jede Zweideutigkeit war. Ihn fröstelte und er verschränkte die Arme vor der Brust, um sich etwas zu wärmen.
    Kacho Marum hatte seine Hütte

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