Krieger der Stille
die Pritiv-Söldner hätten ihr sofort die Kehle durchgeschnitten. Also hatte er seinen Gedankenschutzmechanismus aktiviert und einen undurchdringlichen Wall um sein Denken errichtet – und seinen Geist damit in eine uneinnehmbare Festung der Stille verwandelt. Jetzt hoffte er, dass Aphykit sein Verhalten begriffen habe und nach einem anderen Mittel der Kontaktaufnahme suche.
Die Schritte näherten sich. Der alte Mann erkannte den luftleichten Gang Maranas’, diese typische Art und Weise den Boden nur zu streifen, ohne den Fuß daraufzusetzen. Der junge Mann war in eine weiße Tunika gekleidet, die nur mit einer Spange an der Schulter gehalten wurde und seinen dunklen Teint betonte. Er brachte Erfrischungen, die auf einem Tablett aus weißem Optalium standen. Er war nicht sehr groß, besaß aber einen perfekt geformten Körper. Die Strahlen des Gestirns Drei Feuer schienen sein
Haar in Brand gesetzt zu haben. Wie alle Prougen färbte er seine Haare mit einer roten Substanz, die aus einem Wüstenkaktus gewonnen wurde.
Mit halb ausgebreiteten Flügeln eilte der Pfau über den Rasen, um den Neuankömmling zu begrüßen. Maranas kauerte sich hin und streichelte den Vogel, der sofort vor lauter Wohlbehagen zu gurren begann. Die Schönheit des Pfaus – eine unbekannte Tierart auf seinem Planeten – faszinierte den junge Prougen jedes Mal aufs Neue.
»Solltest du eines Tages Syracusa besuchen«, murmelte der alte Mann, »wirst du dort Tausende genauso schöne Vögel sehen.«
Maranas schrak zusammen und hätte fast das Tablett fallen gelassen. Immer wieder war er erstaunt, dass der alte Mann so leicht seine Gedanken lesen konnte, so als würde er in einem Lichtbuch lesen. Diese Fähigkeit ängstigte ihn auch ein wenig, obwohl er ihn nun schon länger als ein Standardjahr kannte.
Ohne dem Prougen einen Blick zu gönnen, fuhr der alte Mann geistesabwesend fort: »In Venicia gibt es Riesenbäume aus Isphuhan. Sie säumen Avenuen und Boulevards. Mit ihren transparenten Blättern sehen sie im Licht wie verzaubert aus.« Er schwieg kurz und sprach mit trauriger Stimme weiter. »Dann wirst du erleben, wie schön es ist, am Ende des zweiten Tages, wenn die Saphyr-Sonne am Horizont versinkt, und die leichte Brise zu einer Liebkosung wird, in den Gärten herumzuspazieren. Hier gibt es nichts als Dürre und Hitze, ein wahres Inferno! Wegen dieser verfluchten Drei Feuer sind hier bloß Felsen, Steine und Wüsten zu finden … Sogar Bäume haben hier die Farbe und die Härte von Gestein! Aber deine Wüstenwelt ist eigentlich nichts anderes als das Spiegelbild meiner Seele.«
Maranas war fassungslos und stellte das Tablett neben der schwebende Hängematte zu Boden. Klagen gehörte nicht zu den Angewohnheiten seines Gefährten. Normalerweise lebte er das Leben als wäre es ein einziges Fest. Dieser Anfall von Melancholie verhieß nichts Gutes. Der junge Prouge setzte sich auf den lila Rasen in den Schatten eines Buschs und suchte nach einem Lächeln in dem faltigen, von langem weißen Haar umrahmten Gesicht. Dann atmete er die köstlichen Düfte der Blumen des Gartens ein, zog seine Tunika aus und streckte sich genüsslich. Das frische Gras streichelte seinen Oberkörper, seinen Bauch und seine Schenkel. Lustvolle Schauder überliefen seinen Körper vom Kopf bis zu den Füßen.
Als Maranas diesen Garten zum ersten Mal betrat, hatte er seinen Augen nicht trauen können. Der alte Mann hatte aus den Welten des Zentrums alle möglichen Pflanzen kommen und ein kompliziertes unterirdisches Bewässerungssystem installieren lassen, das durch ausgeklügelte Apparaturen gespeist wurde, die in der Lage waren, auch geringste Feuchtigkeitsmengen wie den Frühtau zu sammeln, damit dieses Wunderwerk entstehen konnte. Ebenso gab es unterirdische Wasserreservoire für den Springbrunnen und für ein ovales Schwimmbecken.
Für Prougen war Wasser ein Luxus. Dieses Übermaß an kostbarem Nass empfanden sie als etwas Magisches, das aber gleichzeitig ihren Argwohn erregte. Der alte Mann aber hatte sein ganzes Vermögen in die Errichtung seines kleinen Paradieses gesteckt; um die Verzweiflung über sein lebenslanges Exil zu lindern, hatte er diesen üppigen Garten geschaffen – das war die einzige Weise, auf die er mit seinem Heimatplaneten noch eine Verbindung aufrechterhalten konnte.
»Was ist los, Doppel-Haut?«, fragte Maranas nach einer ganzen Weile und richtete sich auf. »Bist du heute nicht glücklich?«
»Nenn mich nicht so«,
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