Krieger der Stille
Augenblick, als alle in respektvollem Schweigen verharrten, weil sie dem Befehl des Scaythen gehorchten, stürzte er aus dem Bett und sprang mit drei raubtierhaften Sätzen zum Erker. Er drückte hektisch auf den Schalter. Die Luft entwich mit einem leisen Zischen aus dem Fenster.
Er rannte weiter. Und hörte ein Sirren. Zwei Wurfgeräte spien gleichzeitig ihre Projektile aus. Eins traf den Nacken des Kommandanten, das andere bohrte sich in seine Seite. Blut spritzte bis zur stuckverzierten Decke, an die Wände, ergoss sich auf den Marmorboden. Die noch immer kreisenden Bewegungen der runden Metallscheibe, die weiter Haut und Knochen durchschnitt, waren als einziges in dieser jetzt tödlichen Stille zu hören.
Ariavs Kopf wurde vom Torso getrennt und fiel ins Leere. Gedärm quoll aus der großen Schnittwunde an seiner Seite. Sein enthaupteter Körper schwankte, ehe er schwer zu Boden stürzte.
»Was für ein Idiot! So eine Sauerei! Hier muss sofort geputzt werden«, sagte Pultry Wortling empört.
Und das waren die einzigen Worte, die über Ariav Mohings Tod fielen, die Grabrede für einen Mann, der oberster
Kommandant der ruhmreichen mahortinischen Phalanx gewesen war.
Außer sich vor Entsetzen stieß Armina einen markerschütternden Schrei aus und stürzte rücklings quer über das Bett. Ihr nur unzureichend bedeckter Körper wurde von krampfartigen Zuckungen geschüttelt.
Einer der Pritiv-Söldner ging zu der Leiche und entnahm einer Tasche seines Overalls einen Desintegrator. Der Lauf des Geräts spie einen grünen Feuerstrahl aus, der sofort den Leichnam umzüngelte. Der Gestank nach verbranntem Fleisch vermischte sich mit dem faden Geruch des Bluts.
»Beweint nicht die Seele eines Mannes, der der Verdammnis anheimfällt«, tönte der Kardinal. »Sie zu beweinen, bedeutet, um sie zu trauern, und sie zu betrauern, bedeutet, wie sie im Fegefeuer zu schmoren. So lauten die Gebote der Kreuz-Kirche. Doch Eurer Kleidung nach zu urteilen … vielmehr Eurer Nacktheit nach, bezweifle ich zutiefst, dass Euch solche Regeln bedeutsam erscheinen, meine Dame.«
Hinter der sanften Stimme des Kirchenfürsten verbarg sich die Entschlossenheit eines erbarmungslosen Fanatikers – eine rasiermesserscharfe Klinge, in Honig getaucht.
»Jetzt erst wird mir bewusst, mit welchen Schwierigkeiten unsere armen Missionare in jenen heidnischen Welten zu kämpfen haben werden. Wenn sich schon Angehörige der Herrscherhäuser wie Freudenmädchen aufführen, wie mögen sich dann die Frauen des einfachen Volkes benehmen? Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Heilsbotschaft bis in die entferntesten Winkel des Universums tragen …«
Der schwarz gekleidete Kapuzenmann bewegte sich
kaum merklich und unterbrach den Kardinal mit schneidender Stimme.
»Ihr seid ziemlich geschwätzig, Euer Eminenz! Geduldet Euch noch etwas. Die zweite Phase unserer Operation steht unmittelbar bevor. In wenigen Stunden werden die Missionare der Kreuz-Kirche in Begleitung der Scaythen der heiligen Inquisition sowie der Scaythen der Administration transferiert.«
»Und welche Rolle habt Ihr für mich während dieser zweiten Phase vorgesehen, Sieur Assistent?«, fragte Pultry Wortling. »Vergesst nicht, Ihr habt mir bereits den Posten des Generalgouverneurs des Marquisats und seiner Satelliten versprochen.«
Mit einer betont langsamen und feierlichen Geste schob der Scaythe seine Kapuze zurück und enthüllte sein grünliches Gesicht und einen länglichen, mit Schorf bedeckten Schädel. Sein Mund war ein schwarz umrandeter Schlitz, seine Nase ein unförmiges, mit zwei unterschiedlich großen Löchern versehenes Gebilde: ein Antlitz von grotesker Hässlichkeit, die Karikatur eines menschlichen Gesichts.
Jetzt richtete er seine pupillenlosen gelben hervorquellenden Augen auf Pultry Wortling.
Ganz plötzlich fröstelte der Marquisaner. Und er hatte das Gefühl, in ein unsichtbares Netz eingeschnürt zu sein. Dann spürte er, wie ein schleimiger, kalter Tentakel in sein Gehirn kroch. Von einer schrecklichen Vorahnung ergriffen, öffnete er den Mund. Er wollte erklären, dass es ein Missverständnis gegeben haben müsse und dass er seinen neuen Herren treu gedient habe.
So viel Zeit blieb ihm jedoch nicht: Ein schwarzer Schleier raubte ihm die Sicht, ein entsetzlicher Schmerz zerriss ihm das Gehirn, seine Beine knickten ein. Er prallte
gegen eine Säule des Himmelbetts. Nase und Mund rissen durch den Aufprall auf. Dann sank er zu Boden und blieb dort nach
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