Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieger der Stille

Krieger der Stille

Titel: Krieger der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
Vom Netzwerk:
stießen. In diesem Vorort herrschte kein einheitlicher Baustil: Es gab runde Dächer, spitze Dächer, flache Dächer. Die Fassaden der Häuser waren ebenso bunt und zusammengewürfelt wie deren Architektur, denn jeder Verbannte legte Wert darauf, im Exil seiner bescheidenen Behausung die Kultur seines Heimatplaneten aufzuprägen. Die einheimischen Prougen
hingegen hatten nur eine verächtliche Bezeichnung für diese Siedlungen, die ihre ganz in Ocker und Weiß gehaltene Stadt Matana umgaben: die verbotenen Viertel.
    Ein paar Lufttaxis flogen geräuschlos über die kleine Gruppe hinweg und verschwanden alsbald in der Dunkelheit.
    Wenig später tauchten sie in den hell erleuchteten Straßen im Gewühl der Massen unter. Zu Tixus großer Enttäuschung schenkte niemand einem nackten und mit Blut besudelten Mann Beachtung. Nicht einmal die Polizisten in ihren marineblauen Uniformen, die zu viert inmitten dieser bunt zusammengewürfelten Menge auf Streife gingen. Nur ein paar Bettler musterten ihn flüchtig im Vorbeigehen, wenn sie den großen Haschuitt und seine Kumpane grüßten.
    »Lass ihn nicht aus den Augen, Carnegill!«, befahl der einäugige Riese seinem Leutnant. »Wir dürfen ihn jetzt nicht entwischen lassen. Er ist drei Monate Freudenpulver wert. Pass gut auf. Ich sehe hier überall Neider.«
    Je weiter sie ins Zentrum der verbotenen Vorstadt eindrangen, umso schwieriger wurde ihr Fortkommen. Überall boten fliegende Händler ihre Waren an, Falschspieler hatten Klapptische aufgestellt und warben mit lauter Stimme um Kunden, ebenso die Türsteher vor den Bordellen.
    Der arme Carnegill wusste kaum, wohin er zuerst glotzen sollte, die Augen quollen ihm vor Gier fast aus seiner hässlichen Visage. Die vor den Häusern stehenden Huren vergrößerten seine Qualen, indem sie ihn provozierten: Sie entblößten eine Brust oder streckten ihm verführerisch ein Bein entgegen; sie warfen ihm anzügliche Bemerkungen zu und lachten höhnisch. Und so fiel der
Leutnant des großen Haschuitt immer weiter hinter der kleinen Gruppe zurück. Inzwischen war er krank vor Verlangen nach einer dieser grell geschminkten Prostituierten. Auch der Einäugige und Tixu, der wie ein Stück Vieh zur Schlachtbank geführt wurde, entgingen nicht ihren schamlosen Bemerkungen.
    »He, großer Haschuitt! Willst du heute abkassieren? Wo hast du den da aufgegabelt?«
    »Der ist aber süß, dein Sklave! Aber du bist gemein, du hättest ihn wenigstens vorher waschen können. Komm, mein Schöner! Ich bade dich. Und wenn du willst, besorge ich es dir danach umsonst.«
    »Du träumst wohl! Glaubst du etwa, du kannst dir ein bisschen was leisten, wenn du einen dieser Ratten-Godappis verkaufst? Das lassen die Françaos niemals zu.«
    »Verdammt noch mal, Carnegill! Geh weiter!«, befahl Haschuitt. »Du kannst zu den Nutten gehen, wenn du die Kohle hast. Hast du mich verstanden, du kastrierter Affe? Los komm, sonst reiße ich dir auch noch den anderen Arm ab.«
    Tixu hatte das Gefühl, einen nicht enden wollenden Albtraum zu erleben. Er fragte sich, was er in diesem desolaten Zustand – nackt, blutend und halb erdrosselt – in dieser gewalttätigen und verkommenen Welt zu schaffen habe. Die grellen Lichtkegel der nuklearen Straßenlaternen betonten noch das bedrohende Aussehen dieser Vorstadtbewohner; die Beleuchtung unterstrich ihre brutalen Gesichtszüge, das fiebrige Glänzen ihrer Augen, ihre verkniffenen Münder, und ließ nur zu deutlich die Griffe ihrer Waffen erkennen … Hingegen schien das wunderschöne Gesicht der unbekannten Syracuserin, deretwegen er diese verrückte Reise unternommen hatte – und
deren Koordinaten er sorgfältig gelöscht hatte, um keine Spuren zu hinterlassen – langsam zu verblassen. Ihr Bild verschwamm allmählich, so als hätte sie nie existiert und wäre nichts als ein Hirngespinst gewesen, eine Sternschnuppe am dunklen Himmel seines Lebens. Ihm schien, als sei er in einem Grenzland zwischen Traum und Wirklichkeit angekommen und könnte nur noch als Zuschauer diesem absurden Theaterstück beiwohnen, in dem er eigentlich die Hauptrolle spielen sollte. Allein der Schmerz durch das zu enge Halsband brachte ihn von Zeit zu Zeit in die Wirklichkeit zurück.
    Prächtig gekleidete und von Leibgarden geschützte Bürger schritten erhobenen Hauptes durch diesen Pöbel, der sie mit neidischen und hasserfüllten Blicken anstarrte. Niemand interessierte sich für die Bande des großen Haschuitt, und wenn jemand einmal Tixu

Weitere Kostenlose Bücher