Krieger der Stille
Sie mal! Gutes Männerfleisch.«
»Wem hast du diesen Sklaven gestohlen?«
»Ich habe ihn nicht gestohlen, sondern gefangen genommen«, antwortete der große Haschuitt, richtete sich auf und verschränkte stolz die Arme vor der Brust. »Der gehört mir und meiner Bande. Heute Abend ist Versteigerung. Fassen Sie ihn mal an. Was für eine schöne Haut, und stramme Muskeln. Der ist kräftig. Die Reichen werden sich um ihn reißen.«
»Rühr dich nicht vom Fleck. Ich sehe mal nach. Du kannst dich glücklich schätzen, wenn der Françao Métarelly heute guter Laune ist. Drecksack. Normalerweise kümmert er sich nicht um so kleine Geschäfte.«
Haschuitts schmieriges Lächeln verzerrte sich zu einem frechen Grinsen, als er entgegnete: »Aber wenn er den hier sieht, wird er nicht bedauern, dass ich ihn gestört habe …«
Der Wächter tippte einen Code auf die in der Betonwand eingelassene Tastatur ein. Sofort öffnete sich ein kleines Fenster in der gepanzerten Tür.
Das feindselige Benehmen hatte den Enthusiasmus der Bande inzwischen merklich gedämpft. Mit gesenktem Kopf standen sie da, die glorreichen Gefährten des großen Haschuitt, und hätten am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht.
In dem Fenster erschien ein Gesicht: dunkelbrauner Teint, dichte rötliche Haarlocken und kleine, stechende schwarze Augen, die fast unter den schweren Lidern verschwanden. Ein altersloser Prouge.
»Was gibt’s?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Ein paar Junkies, die dem Françao ein Geschäft vorschlagen. Sie wollen ihm einen Sklaven verkaufen«, flüsterte der Wächter.
Der Blick des Prougen wanderte über den Treppenabsatz und musterte Tixu.
»Lass diesen jämmerlichen Haufen rein!«
Der Oranger saß in der Falle. Er hatte keine Hoffnung mehr, unbeschadet aus diesem unterirdischen Gefängnis entkommen zu können, es sei denn, es geschähe ein Wunder. In der Taverne der Drei Brüder auf Zwei-Jahreszeiten hatte er gehört, dass die Camorre ihre Gefangenen, die für den Sklavenmarkt bestimmt waren, mit einem Virus, einem sogenannten »Gefügigmacher«, impfte, und dass dieses Serum, regelmäßig verabreicht, das Gedächtnis des Geimpften auslösche und seinen Willen breche.
Um sich etwas Mut zu machen, rief er sich die Worte Kacho Marums ins Gedächtnis zurück: »Du hast vom inneren Wasser der Echsen getrunken, ihre Kraft wird dich beschützen, von nun an wirst du für immer vom Gott der Unbesiegbarkeit begleitet werden …«
Doch so plausibel diese Worte im Wald auf Zwei-Jahreszeiten geklungen hatten, so hohl erschienen sie ihm
hier vor dieser Tür mit den brutalen Wächtern. Sie waren nichts als eine törichte Anrufung nicht existierender Götter, die ihn weder Hunger noch Kälte noch das unerträgliche Halsband vergessen ließen und vor allem nicht seine zunehmende Verzweiflung, die ihm langsam den Verstand raubte. Er sehnte sich nach einem Becher Mumbë, nach dem Gefühl, wie der Alkohol in seinem Mund brannte und wie er sich langsam in seinem Körper ausbreitete und ihn wärmte.
Der kleine fette Prouge, dessen dicker Bauch über seinem weißen Lendenschurz hing, führte Haschuitt und seine Bande durch ein Labyrinth gewundener und schlecht beleuchteter Gänge, bis sie endlich einen großen Raum betraten, der in grelles Licht getaucht war.
Ganz hinten, vor einer graugrünen Wasserwand stand ein Schreibtisch, den Tixu sofort an dem gelben Holz, den geschnitzten Verzierungen und der ovalen Form als ein Möbelstück aus seiner Heimat – genauer gesagt, aus der Provinz Vieulinn auf Orange – erkannte. Der Anblick dieses barocken Schreibtischs, der so gar nicht in den ansonsten unmöblierten Raum passte, weckte sofort alte Erinnerungen in ihm, denn er sah genau wie der seines Onkels auf Orange aus.
Jetzt betraten gelb uniformierte Wächter, die Garde Métarellys, den Raum und durchsuchten die Mitglieder der Bande mit peinlicher Genauigkeit. Vor allem die Frauen tasteten sie auch an den intimsten Körperstellen ab, was denen aber zu gefallen schien, denn sie kicherten und stießen kleine lustvolle Schreie aus.
»Zorthias, du weißt doch, dass in ein paar Minuten die Konferenz der Camorre beginnt!«, sagte ein Mann mit schneidendem Unterton in der Stimme. Er sprach perfekt
Naflinisch, hatte aber einen starken Akzent, der ihn als gebürtigen Oranger auswies. »Ich hoffe, dass du mich nicht wegen einer Bagatelle belästigst.«
Der mittelgroße Mann drehte der kleinen Gruppe den Rücken zu. Er stand vor einer
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