Krieger der Stille
man wohl Nostalgie. Seither betrachte ich Orange immer mit ausgesprochen wohlwollenden, ja liebevollen Augen. Dieser Planet war der meine, und ich wollte ihn nicht verlassen. Aber das Schicksal hat anders entschieden. Wie auch immer, es nützt nichts, der Vergangenheit nachzutrauern. Und deshalb freue ich mich, dieses Unabhängigkeitsfest mit einem Landsmann feiern zu können. Also, mein lieber Ti …«
»Tixu Oty.«
»Mein lieber Tixu, aus diesem Grund bist du jetzt frei. Hätten diese Drecksäcke dich an jemanden anders verkaufen wollen, säßest du jetzt in einem Käfig auf dem Sklavenmarkt. Als Krönung hätte man dir noch irgendein Scheißzeug gespritzt, das dein Hirn zerfressen hätte … Ich habe eine typisch vieulinnische Mahlzeit zubereiten lassen, damit wir gebührend unseren Unabhängigkeitstag feiern können. Und dann, wenn Salom am Himmel aufgeht, besuchen wir den Sklavenmarkt. Ich muss dort noch ein paar Dinge erledigen. Dann wirst du sehen, dass dieses Spektakel außerhalb der Käfige wesentlich amüsanter als innerhalb ist, mein junger Freund.«
So wie der Anblick des Schreibtischs im Domizil des Françao weckte auch die köstliche Mahlzeit Erinnerungen in Tixu. Mit jedem Bissen tauchten neue Bilder aus der Vergangenheit in ihm auf, die er vergessen geglaubt hatte, so wie das vage Bild seiner Mutter, die früher an Festtagen gerne aufwändige Gerichte zubereitet hatte.
Bilo Maïtrelly redete pausenlos, und in so liebevollem Ton wie ein Vater mit seinem Sohn. Er war glücklich, in Tixu einen Gefährten gefunden zu haben, dem er sich anvertrauen konnte. Allein durch seine Anwesenheit war es Tixu gelungen, die Mauer des Schweigens, des Misstrauens und der Einsamkeit, die sein Gastgeber in den langen Jahren seines Exils um sich herum errichtet hatte, zu brechen.
Während dieser Mahlzeit flüchteten sich beide Männer in die warme Geborgenheit Oranges, schwelgten in Erinnerungen und tranken dabei Unmengen des fruchtigen Weins aus Vieulinn.
Zorthias, der ausnahmsweise an der Tafel seines Herrn hatte speisen dürfen, zog sich – noch immer verärgert und griesgrämig – in eine Ecke zurück.
Noch nie hatte der Prouge den Françao so viel reden gehört. Der Herr von Sar Bilo erzählte in allen Einzelheiten, wie er wegen eines Verbrechens aus Leidenschaft zum Raskatta erklärt und von Orange verbannt worden war. Er schilderte seine Ankunft in Roter-Punkt-Stadt und seinen langsamen Aufstieg in der Camorre. Dass er als Handlanger angefangen habe und mit Drecksarbeiten wie der Liquidation von Verrätern betraut worden und dann zum Vertrauten und Leibwächter des alten Françao Sif Kérouiq, eines Ureinwohners vom Planeten Selp Dik aufgestiegen sei. Sif Kérouiq habe ihn zu seinem Nachfolger bestimmt,
aber da diese Nachfolge von anderen Aspiranten infrage gestellt worden sei, habe er sie einen nach dem anderen eliminieren müssen. Vor allem die ehemaligen Leutnants von Sif Kérouiq, harte Burschen, die nur durch List und Verrat in diese Positionen gekommen waren.
»So etwas nennt man hier einen Nachfolgekrieg«, erklärte er mit einem ironischen Lachen. »Und nun zu dir. Was machst du hier auf Roter-Punkt?«
»Hm … ich reise«, antwortete Tixu vorsichtig.
»Ach, du reist? Ohne Geld und nackt?«, fragte der Françao lächelnd.
»Na ja, ich habe gegen die Regeln der InTra verstoßen, dieser Transportgesellschaft … Sie kennen sie ja, sie ist für intergalaktische Reisen zuständig, diese Zelltransformationen«, rechtfertigte sich Tixu, weil ihm die Zweifel seines Gastgebers nicht entgangen waren. »Die Gesellschaft hat nur veraltete Deremat-Geräte, also solche, die nur menschliche Zellen transferieren können. Und … hm … weil ich darüber nicht richtig informiert wurde, habe ich während des Transfers alles verloren: mein Gepäck, meine Kleidung und mein Geld. Als ich auf Roter-Punkt rematerialisiert wurde, war ich nicht imstande, mich gegen diese Bande zu wehren. Ich litt unter der Reisekrankheit und konnte mich erst nach einer Stunde wieder richtig bewegen.«
»Na schön. Aber es ist doch seltsam, dass der Reisebüroangestellte deine Rematerialisation in diese Ruinen am Rand der Wüste programmiert hat. Das ist wohl kaum ein attraktiver Ort für Touristen, oder? Und was hast du jetzt vor?«
»Ich. Ich weiß es nicht. Ich will versuchen, etwas Geld aufzutreiben, damit ich die Rückreise antreten kann …«
»Etwas Geld? Reisen kostet viel Geld«, entgegnete Maïtrelly.
»Und Reisen
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