Krieger der Stille
ihm aus und beendete alle seine Zweifel, sein Zögern und seine Unentschlossenheit. Sein durch den schweren Wein seiner Heimat benebelte Kopf wurde schlagartig wieder klar. Er konnte wieder klar denken. Ohne es zu wollen hatte ihm sein Gastgeber den Zusammenhang, der zwischen der Syracuserin und den Mördern, die sie verfolgten, bestand, erklärt. Er begriff, dass es sich um eine gegen die Konföderation gerichtete Verschwörung handelte. Und er begriff, dass die Tage der Françaos der Camorre gezählt waren, dass sie von nun an nichts anderes als Tote auf Abruf waren.
»Ihr dürft diese Bedingungen weder akzeptieren noch verweigern«, sagte er, fast gegen seinen Willen. »Euch bleibt nur eins: die Flucht. Und zwar so schnell wie möglich.«
Bilo Maïtrelly schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass ein Kristallglas umfiel, auf einen Tellerrand prallte und zerbrach. Seine hellblauen Augen funkelten vor Zorn.
»Was redest du da? Fliehen? Vor diesen lächerlichen Gestalten? Vor diesen weibischen Typen in ihren Trikots? Was ist nur in dich gefahren? Und was weißt du über diese Dinge?«
»Ich habe Sie vorhin belogen«, antwortete Tixu gelassen. »Ich war Angestellter bei der InTra auf Zwei-Jahreszeiten. Und diese Typen haben mich töten wollen, weil ich eine Person, die zu viel wusste, umsonst transferiert habe.«
Der Françao starrte Tixu verblüfft an.
»Gegen diese Leute – jedenfalls nehme ich an, dass es sich um dieselben handelt – können Ihre Truppen nicht viel ausrichten«, sagte Tixu eindringlich. »Sie können Gedanken lesen. Sie wissen alles. Was man plant, hofft, wünscht. Auf Zwei-Jahreszeiten sind sie in mein Gehirn eingedrungen und haben sich auf diese Weise alle notwendigen Informationen verschafft. Ich hatte das Gefühl, mein Schädel würde explodieren, und gleichzeitig fühlte ich mich so ohnmächtig und verletzlich … Und ich bin nach Roter-Punkt gekommen, um der jungen Frau, die sie verfolgt haben, zu helfen. Und weil ich glaube, dass sie die Einzige ist, die noch etwas gegen diese Verschwörung unternehmen kann.«
»Warum haben sie dich nicht getötet?«, fragte Maïtrelly, ohne die leiseste Spur von Ironie in der Stimme.
»Das haben sie versucht, aber der Tod wollte noch nichts von mir wissen …«
Daraufhin herrschte bedrücktes Schweigen im Salon. Der Françao zweifelte nicht an Tixus Worten. Er kannte die Menschen und wusste, wann sie die Wahrheit sagten oder logen.
Die Dienerinnen standen wie angewurzelt neben der Schiebetür, die in die Küche führte. Sie konnten dieses plötzliche Schweigen nicht deuten und wagten sich nicht in die Nähe des Tischs.
»Lieber junger Freund«, nahm Maïtrelly schließlich nach einer Weile das Gespräch wieder auf. »Darüber müssen wir uns eingehender unterhalten. Aber jetzt geht Salom auf, und der Sklavenmarkt erwartet uns. Vielleicht ist das das letzte Mal, wer weiß? Ich möchte nicht den Verkauf der Hauptattraktion heute Abend versäumen. Ein sehr schönes Mädchen, wie es heißt. Ein Edelstein in Fleisch und Blut … Eine Syracuserin …«
Tixu zitterte und wurde blass. Bilo Maïtrelly hatte inzwischen die Kontrolle über seine Gefühle wiedererlangt. Die Reaktion seines Gastes überraschte ihn nicht.
»Sie wurde in der zweiten Dämmerung in Matana gefangen genommen. Von einer Bande junger Prougen, die für den dicken Glaktus arbeiten, einen widerlichen Fettsack, der sie natürlich sofort zum Verkauf angeboten hat. Ich frage mich, was diese Syracuserin in einem Höllenloch wie Matana zu schaffen hat? Die Versteigerung wird heute sicher alle Grenzen sprengen.«
Er tupfte sich den Mund ab, schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
Natürlich hatte der Françao sofort erkannt, dass es sich bei der Gefangenen und Tixus Kundin um ein und dieselbe
Person handelte. Doch davon ließ er nichts durchblicken, denn er agierte noch immer nach der Devise seines Mentors Sif Kérouiq: nie eine Entscheidung vorzeitig preiszugeben, damit man seine volle Handlungsfähigkeit behalten konnte.
»Geh schon voraus, Zorthias! Und lass meine Sklaven zum Sklavenmarkt eskortieren!«
Schon im ersten Moment, als der arme geschundene Tixu zu ihm gebracht worden war, hatte Bilo Maïtrelly Sympathie für ihn empfunden. Und das, ehe er wusste, dass der Gefangene Oranger war. Jetzt wusste er auch, warum. Denn sein junger Gast war von demselben Gefühl beseelt, das auch ihn vor zweiundvierzig Standardjahren dazu getrieben hatte, in der grünen Provinz
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