Kriegsgebiete
Feller.
»Ja.«
»In
einer Spezialeinheit.«
»Fallschirmjäger.
Das ist gar nicht so speziell.«
»Sie
haben gelernt, Menschen zu töten.«
»Nur
im Rahmen von irgendwas.«
»Können
Sie das konkretisieren?«
»Nicht
aus Spaß.«
Weber
beugte sich nach vorn.
»Wissen
Sie, was Sie im vergangenen Jahr am 12. November gemacht haben?«
»Nein,
natürlich nicht«, antwortete Daniel gereizt. »Wissen
Sie, was Sie an diesem Tag gemacht haben?«
Weber
schaute ihn unbeeindruckt an. Sein Gesicht war komplett ohne Regung.
Leer.
»Machen
wir es einfacher«, sagte er. »Vielleicht erinnern Sie
sich ja noch, was Sie am 6. März gemacht haben. Das ist ja nur
ein paar Wochen her.«
Daniel
fuhr sich durchs Haar.
»Was
war das für ein Tag?«
»Ein
Samstag.«
»Ich
war auf dem Markt. Mit dem Fahrrad. Danach war ich in der
Stadtbücherei. Auch mit dem Fahrrad. Meine Frau hat das Auto
mitgenommen, als sie sich von mir trennte.«
Die
beiden Polizisten sahen ihn zum ersten Mal erstaunt an.
»Seit
dem Jahreswechsel habe ich ein festes Tagesprogramm«, sagte
Daniel. »Mein Therapeut hat es gemeinsam mit mir entwickelt.
Viel Struktur. Viel Training. Ich war körperlich total down.
Psychisch auch. Das Training tut mir gut, aber vor allem die
Strukturen. Ich habe ein festes Samstagsprogramm. Das habe ich noch
nie geändert.«
Weber
drehte den Kopf zu seiner Chefin. Diesmal ruckartig. Seine Blicke
zuckten nervös zwischen ihr und Daniel hin und her.
»Waren
Sie in stationärer Behandlung nach Ihrem letzten Einsatz?«,
fragte die Hauptkommissarin.
»Ja.
Zwei Monate. Im Berliner Traumazentrum der Bundeswehr. Das volle
Wohlfühlprogramm: Bewegungs- und Ergotherapie,
Entspannungstraining, Aromatherapie, Akupunktur. Und natürlich
Gesprächssitzungen. Am Anfang der Therapie zappelt man unruhig
auf seinem Stuhl hin und her. Dann wird man ruhiger. Und schaut sich
die Bilder an. Die Bilder, die man im Hirn hat.«
»Und
sind Sie geheilt?«, fragte Weber.
»Da
gibt es keine Heilung. Man packt die Bilder in einen Schrank, räumt
sie ordentlich darin ein und sperrt sie weg. Aber der Schrank ist da.
Diese blutigen Bilder. Vor allem nachts kommen sie aus dem Schrank.«
»Würden
Sie sich als krank bezeichnen?«, fragte Feller.
»Ja.
Ist sogar ganz offiziell. Posttraumatische Belastungsstörung. Zu
nichts mehr zu gebrauchen.«
Feller
und Weber sahen sich kurz an. Scheinbar hatte Daniel mit seinem
freimütigen Geständnis ihre Verhörtaktik
durcheinandergebracht. Deshalb übernahm er die Initiative.
»Diese
anderen Frauen … Wo sind die gestorben?«
»Das
geht Sie überhaupt nichts an«, zischte Weber.
»Wir
ziehen es vor, das aus ermittlungstaktischen Gründen noch für
uns zu behalten«, ergänzte Feller gelassen. »Ihre
Frau lebt von Ihnen getrennt?«
»Ja.
Seit September.«
»Warum
haben Sie Ihre Wohnzimmermöbel in den Garten geräumt?«
»Ich
halte mich nicht mehr so oft im Haus auf.«
»Warum?«
»Sicherheitsbedenken.
Und den Möbeln ist es egal.«
Die
Polizisten drehten die Köpfe und sahen sich im Garten um. Daniel
folgte ihren Blicken.
»Gefällt
Ihnen mein Garten?«, fragte Daniel.
»Ja«,
antwortete Weber, »meine Frau will, dass ich zweimal die Woche
mähe.«
Ȇberzeugen
Sie Ihre Frau von den Vorteilen eines Naturgartens. Neben der
ästhetischen Funktion sollte ein Garten so angelegt sein, dass
er der heimischen Tierwelt artgerechte Lebensräume bietet.«
»Meine
Frau mag Schlossgärten.«
»Die
Imker werden Sie lieben, wenn Sie seltener mähen.«
Ein
Schmetterling setzte sich wie zur Bestätigung seiner
Naturgarten-Argumentation auf Daniels Schulter.
»Haben
Sie so was wie ein Survival-Messer?«, fragte Feller. »Oder
ein Kampfmesser aus Ihrer aktiven Zeit bei der Bundeswehr?«
Fast
wäre es passiert. Und er hätte den beiden Kriminalbeamten
von seinem verschwundenen NATO-Kampfmesser erzählt. Schnell biss
er sich auf die Unterlippe, schluckte seinen Speichel nach unten,
hustete. Als Daniel wieder seinen Kopf drehte, hatte sich der
Schmetterling längst davongemacht. Kluges Tier.
»Wenn
ich in die Natur gehe, beim Joggen und Radfahren, habe ich immer ein
Schweizer Offiziersmesser dabei.«
Daniel
holte das Taschenmesser aus seiner Hosentasche.
»Es
hat wahnsinnig viele Funktionen.«
Um
seine Aussage zu unterstreichen, zog er einige Werkzeuge aus dem
Taschenmesser.
»Sogar
der Dosenöffner funktioniert richtig gut.«
Daniel
reichte es Weber.
»Wenn
Sie noch keines haben, sollten Sie sich
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