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Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Spranger
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sie
evakuiert worden. An einer Bushaltestelle standen ein paar frierende
Gestalten, die sich in ihr Bett zurückwünschten. Das
Morgengrauen klebte an ihnen wie die Plakatwerbung für eine
Geisterstadt. 
    Als
Daniel in seine Straße abbog, sah er das schwarze
Zivilfahrzeug, das Feller und Weber bereits bei ihren früheren
Besuchen gefahren hatten, vor seinem Haus stehen. Einen Moment lang
spielte er mit dem Gedanken, in die entgegengesetzte Richtung zu
flüchten. Zurück in ein paar andere Seitenstraßen, in
die man nicht freiwillig fuhr. Und dann ab ins Gelände. Mit dem
Rad kommt man an Stellen durch, da scheitert sogar ein Geländewagen.
Immer nur fliehen ist keine Taktik. Und erst recht keine Strategie.
Daniel fuhr an dem schwarzen Wagen vorbei bis zu seinem Gartentor.
Als er vom Rad stieg, hörte er zunächst, wie sich die Türen
des Autos öffneten und fast zeitgleich die Stimme von Kommissar
Weber.
    »Guten
Morgen, Herr Schramm.«
    Daniel
drehte sich um.
    Weber
und Feller kamen auf ihn zu. Die Polizeihauptkommissarin blieb ein
paar Meter hinter ihrem Kollegen stehen. Wahrscheinlich lernte man
das in der Polizeischule.
    »Sie
sind aber früh unterwegs«, sagte Feller lächelnd.
    »Sie
aber auch.«
    »Wenn
man diesen Beruf wählt, lebt man mit ungewöhnlichen
Arbeitszeiten. Und was treibt Sie so früh raus?«
    »Sport.
Ich bin in einem Alter, in dem ich auf meinen Körper achten
muss. Von selbst macht er es nicht mehr.«
    Daniel
stellte das Rad neben dem Haus ab und kettete es an den Gartenzaun.
    »Wir
haben noch ein paar Fragen«, sagte Weber. »Würden
Sie uns bitte zum Revier begleiten?«
    »Natürlich.
Wenn es der Wahrheitsfindung dient.«
    Daniel
lächelte. Weber verzog die Mundwinkel zu etwas Süßsaurem,
das nur ansatzweise einem Lächeln glich. Feller war
professioneller. Sie lächelte nicht.
    »Ich
muss nur noch mal rein«, sagte Daniel. »Dringend. Auf die
Toilette.«
    »Stört
es Sie, wenn ich Sie begleite?«, fragte Weber.
    »Klar
stört mich das. Ich gehe gerne alleine aufs Klo. Sie nicht? Nach
einem Auslandseinsatz weiß man seine Privatsphäre zu
schätzen. Oder haben Sie was Schriftliches dabei?«
    »Meinen
Sie einen Durchsuchungsbeschluss oder einen Haftbefehl? Ich glaube,
wir können beides bekommen«, polterte Weber nach vorne.
Feller zog missbilligend eine Augenbraue nach oben. Nur einen kurzen
Moment. Dann ging ihre Mimik wieder ins Neutrale über.
    »Ich
dachte eher an die Toilettenordnung«, antwortete Daniel.
    Man
konnte Weber genau ansehen, dass er total geladen war. Wahrscheinlich
hatte er jahrelang daran arbeiten müssen, seinen Jähzorn
einigermaßen in den Griff zu kriegen. Mit solchen Typen war
Daniel nie gerne auf Patrouille gegangen. Sie waren ein
Sicherheitsrisiko. In Uniform. Und mit einer scharfen Waffe im
Anschlag.
    »Wir
haben nur ein paar Fragen, die wir nicht im Garten vor den Nachbarn
stellen wollen«, sagte Feller.
    »Soll
das heißen, ich kann jetzt erst mal Pipi gehen?«
    »Wir
hatten nie vor, Sie daran zu hindern, in Ordnung?«
    »An
Ihrer Stelle würde ich Weber an der Terrassentür postieren.
Wegen der Fluchtgefahr.«
    »Überlassen
Sie das mir.«
    Erst
nachdem die Haustür mit einem satten Schmatzer ins Schloss
gefallen war, merkte Daniel, dass seine Blase tatsächlich einen
Hallo-leer-mich-Ruf ausstieß. Auf dem Weg zur Toilette kam er
an der Basisstation des Telefons vorbei. Das rote Lämpchen
blinkte. Daniel drückte die Taste des Anrufbeantworters und eine
Roboterstimme sagte:
    »Anruf
um zwei Uhr dreiundfünfzig.«
    Scheiße,
dachte Daniel. Wer ruft mich mitten in der Nacht an, während ich
gerade bewusstlos auf der Straße liege?
    »Sag
der Polizei, dass du bei mir warst.«
    Nur
der eine Satz. Dann gleich wieder aufgelegt.
    Melanies
Stimme.
    Daniel
drückte Repeat .
    Wieder
Melanies Stimme.
    »Sag
der Polizei, dass du bei mir warst.«
    Daniel
rannte aufs Klo. Es war wirklich sehr dringend. Während das Bier
und die Kälte der vergangenen Nacht aus ihm herausliefen, nahm
er eine Computerspiele-Zeitschrift, die neben der Toilette lag und
schlug sie wahllos auf. Ein angeblich superauthentischer
Militärshooter, der Afghanistankrieg spielte, hatte höchste
Bewertungen erhalten. Und eine Auszeichnung wegen »besonderer
Atmosphäre«. Daniel musste lachen. Zurück am Telefon,
drückte er erneut die Taste des Anrufbeantworters.
    »Sag
der Polizei, dass du bei mir warst.«
    Nach
der Wiedergabe löschte er die Nachricht.
    Könnte
Liebe sein. Oder etwas anderes. Eine

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