Kriegsgebiete
View verpixelt. Das schob dem bodennahen
digitalen Geglotze einen natürlichen Riegel vor.
Daniel
lehnte das Rad an den Gartenzaun. Genau genommen ließ er es
dagegen fallen. Nicht mal Zeit zum Absperren. Er rannte zur
Eingangstür und klingelte. Als Melanie die Tür öffnete,
sah er sofort, dass sie geweint hatte. Daniel verspürte den
Impuls, sie zu trösten. Oder wenigstens, sie zu beschützen,
wenn sie das Trösten nicht zuließ. Fast hätte er sie
umarmt. Melanie packte Daniel am Ellbogen und zog ihn in den
Hausflur. Schnell schloss sie die Tür. Als würde sie einen
Verfolger loswerden wollen.
»Was
ist passiert?«, fragte Daniel.
»Lea
ist verschwunden.«
»Verschwunden?«
»Sie
ist gestern nach dem Gitarrenunterricht nicht nach Hause gekommen.«
»Hast
du die Polizei angerufen?«
»Ja,
um dich zu entlasten.«
Plötzlich
gab sie ihm eine schallende Ohrfeige. Mit voller Wucht. So fest sie
konnte.
»Wir
müssen sofort die Polizei informieren«, sagte Daniel.
»Dann
bringt er sie um!«, fauchte Melanie ihn an.
»Wer?«
»Der
Anrufer.«
»Der
Anrufer?«
»Der
Entführer.«
Daniel
spürte, wie der Atem an einem ungewissen Ort in seinem Körper
hängen blieb. Er umarmte Melanie, obwohl er es eigentlich nicht
wollte, aber es passierte einfach. Ihre Tränen liefen an seinem
Hals hinunter. Hinein in sein T-Shirt. Daniel wusste nicht, was er
mit seiner Atmung machen sollte. Sie funktionierte einfach nicht
mehr.
Irgendwann
konnte Daniel wenigstens seine Muskeln wieder kontrollieren, die
minutenlang nur gezittert hatten. Er drückte Melanie weg.
»Hat
der Kerl irgendwelche Forderungen gestellt?«
Melanie
verzog verächtlich die Mundwinkel.
»Das
solltest du am besten wissen. Er wollte, dass ich dir ein Alibi
verschaffe. Du bist gestern Abend bei mir gewesen, nicht wahr? Das
sollte ich zumindest der Polizei erzählen.«
Daniel
versuchte zu schlucken. Es ging nicht richtig. Sein Hals war
verstopft. Sein Hirn auch. Er verstand überhaupt nichts mehr.
»Du
bringst kein Glück«, sagte Melanie.
»Nein,
ich bring kein Glück.«
»Was
hast du getan, für das wir bezahlen müssen?«
»Ich
weiß es nicht.«
»Was
hast du getan?«
Melanie
prügelte mit den Fäusten wild auf Daniels Brust. Dabei
schrie sie. Erst als ihr die Luft ausging und sie atmen musste, ließ
sie ihre Fäuste sinken. Auch danach zitterte sie noch. Einen
Moment lang war sich Daniel nicht sicher, ob Melanie durchgeschüttelt
wurde oder das Haus, die Umgebung, alles. Dann hielt sie wieder die
Luft an, stand ganz still, bis es aus ihr herausplatzte. Diese ganzen
Tränen, die sie ein paar Momente zuvor noch zurückhalten
hatte können. Daniel wusste nicht, was er machen sollte. Einmal
fuhr er ihr übers Haar, aber Melanie schüttelte entschieden
den Kopf. Daraufhin steckte er seine Hände in die Hosentaschen.
Ich würde gerne heulen, dachte er, aber ich muss professionell
bleiben. Er hasste seine Ausbildung. Seine Hände fuhren nervös
in den Taschen auf und ab. Melanie wischte mit einem Ärmel über
ihr Gesicht.
»Sag
mir, dass du damit nichts zu tun hast!«, forderte sie ihn
eindringlich und sehr leise auf.
»Womit?«
»Du
hast Lea nicht entführt.«
»Nein.«
»Du
wirst ihr auf keinen Fall etwas antun.«
»Niemals
würde ich ihr etwas antun.«
»Sag
noch mal niemals .«
»Niemals.«
»Du
hast nichts damit zu tun?«
»Ich
liebe Lea.«
Melanie
holte ein Handy aus ihrer Jackentasche und gab es Daniel.
»Das
Handy war heute Morgen im Briefkasten. Er hat gesagt, er würde
dich darauf anrufen. Er will mit dir reden. Wenn du damit zur Polizei
gehst …«
»Ich
geh nicht zur Polizei.«
»…
dann …«
»Schon
gut. Ich bringe unsere Tochter zurück.«
Melanie
fuhr sich durchs Haar. Dabei riss sie sich ein paar Strähnen
aus, die zwischen ihren Fingern baumelten.
Daniel
checkte das Handy. Ein Allerweltstelefon, wie man es in jedem
Handyladen kaufen konnte. Seine Finger waren zittrig. Ein paar Mal
vertippte er sich. Eine Prepaid-SIM-Karte ohne Gesprächsguthaben.
Mit dem Daumen schob er den Deckel von der Rückseite des
Mobiltelefons und entfernte den Akku. Eine ausländische
SIM-Karte. Irgendein bulgarischer Telefonbetreiber. Die aufgedruckten
Nummern waren weggekratzt und zusätzlich mit Filzstift
unkenntlich gemacht worden.
»Ich
hab versucht, mit dem Handy auf unserem Festnetz anzurufen, um die
Nummer zu speichern«, sagte Melanie, »aber …«
»Der
Drecksack ist zu clever, um an so was nicht zu denken. Er ist
überhaupt
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