Kriegsklingen (First Law - Band 1)
welcher Angelegenheit sind Sie in der Stadt, Meister Neunfinger?«
»Ich bin mit Bayaz gekommen. Wenn Sie wissen wollen, was er hier zu tun hat, müssen Sie ihn fragen. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.«
»Dann bezahlt er Sie also?«
»Nein.«
»Sie folgen ihm aus Loyalität?«
»Nicht unbedingt.«
»Aber Sie sind sein Diener?«
»Nein. Eigentlich nicht.« Der Nordmann kratzte sich gemächlich an seinem stoppligen Kinn. »Ich weiß nicht, was ich bin.«
Ein großer, hässlicher Lügner, das bist du. Aber wie kann ich das beweisen?
Glokta schwenkte den Stock durch den Raum und deutete auf die Zerstörung ringsum. »Wie hat dieser Eindringling so viel Schaden anrichten können?«
»Das war Bayaz.«
»Tatsächlich? Wie das?«
»Mit seiner Kunst, wie er das nennt.«
»Kunst?«
»Magie an sich ist wild und gefährlich«, rezitierte der Zauberlehrling wie aufs Stichwort, als ob er etwas von großer Bedeutung deklamierte, »denn sie kommt von der Anderen Seite, und sich der Dinge aus der unterirdischen Welt zu bedienen, ist ein großes Wagnis. Der Magus härtet die Magie mit Wissen und erschafft so die Hohe Kunst, aber wie auch der Schmied oder der …«
»Die Andere Seite?«, wiederholte Glokta scharf und unterbrach damit das Geschwätz des jungen Schwachkopfs. »Die unterirdische Welt? Zur Hölle, wovon reden Sie? Von Magie? Verstehen Sie etwas von Magie, Meister Neunfinger?«
»Ich?« Der Nordmann lachte leise. »Nein.« Er dachte einen Augenblick darüber nach und setzte dann hinzu: »Ich kann allerdings mit den Geistern reden.«
»Mit den Geistern, tatsächlich?«
Ach du liebe Zeit.
»Vielleicht könnten die uns sagen, wer unser geheimnisvoller Eindringling war?«
»Ich fürchte nicht.« Neunfinger schüttelte traurig den Kopf; entweder hatte er Gloktas Sarkasmus nicht bemerkt oder aber beschlossen, nicht darauf einzugehen. »Es sind hier keine mehr wach. Sie schlafen. Schon seit einer langen Zeit.«
»Ah, natürlich.«
Geister gehen sicher immer sehr früh ins Bett. So allmählich geht mir dieser Blödsinn auf die Nerven.
»Sie kommen von Bethod?«
»Das könnte man so sagen.« Jetzt war es an Glokta, überrascht zu sein. Er hatte scharf eingezogenen Atem erwartet, einen eiligen Versuch, das zu verbergen, kein offenes Eingeständnis. Neunfinger blinzelte nicht einmal. »Ich war einmal sein Kämpe.«
»Kämpe?«
»Ich habe zehn Zweikämpfe für ihn ausgefochten.«
Glokta suchte nach Worten. »Haben Sie gewonnen?«
»Ich hatte Glück.«
»Es ist Ihnen natürlich bekannt, dass Bethod die Union überfallen hat?«
»Ja.« Neunfinger seufzte. »Ich hätte diesen Drecksack schon vor Jahren umbringen sollen, aber ich war damals jung und dumm. Jetzt glaube ich nicht, dass ich noch eine Möglichkeit dazu bekommen werde, aber so ist es nun mal im Leben. Man muss … wie heißt das noch?«
»Realistisch sein«, sagte Quai.
Glokta runzelte die Stirn. Einen Augenblick zuvor hatte er geglaubt, einen Funken Sinn in all diesem Unsinn zu entdecken, aber dieser Augenblick war wieder vergangen, und die ganze Sache erschien jetzt noch unsinniger als zuvor. Er sah Neunfinger an, doch das vernarbte Gesicht barg keine Antworten, nur weitere Fragen.
Mit den Geistern reden? Bethods Kämpe, aber auch sein Feind? Angegriffen von einer geheimnisvollen Frau mitten in der Nacht? Und er weiß noch nicht einmal, weswegen er hier ist? Ein schlauer Lügner erzählt so viel Wahrheit wie möglich, der hier aber erzählt so viele Lügen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.
»Ah, wir haben einen Gast!« Ein alter Mann betrat den Raum, gedrungen und untersetzt und mit kurzem grauem Bart, der sich den kahlen Kopf mit einem Lappen trocken rieb.
Das ist also Bayaz.
Er warf sich auf den ganz gebliebenen Stuhl und bewegte sich dabei keinesfalls mit der Eleganz, die man von einer bedeutenden Geschichtsfigur hätte erwarten können. »Ich muss mich entschuldigen. Ich habe das wunderbare Bad genutzt. Ein sehr gutes Bad. Bisher habe ich jeden Tag gebadet, seit wir den Agriont erreichten. Der Straßenstaub hat sich mir so eingefressen, dass ich begeistert jede Gelegenheit wahrgenommen habe, um wieder sauber zu werden.« Der Alte fuhr sich mit der Hand über die haarlose Kopfhaut und verursachte dabei ein leicht zischendes Geräusch.
Glokta verglich seine Züge geistig mit denen der Bayaz-Statue auf dem Weg der Könige.
So unglaublich ist die Ähnlichkeit nun auch wieder nicht. Er wirkt halb so gebieterisch und ein ganzes
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