Kriegsklingen (First Law - Band 1)
»… dass Sie ein Betrüger sind.«
»Ein Schauspieler?«, fauchte der sogenannte Magus. Der blasse Junge senkte den Kopf und zog sich leise in die Nähe der Mauer zurück. Glokta fühlte sich plötzlich sehr allein in dem von Trümmern gepflasterten Kreis, allein und zunehmend unsicher, aber er preschte weiter vor.
»Mir ist der Gedanke gekommen, dass diese ganze Angelegenheit möglicherweise nur für uns inszeniert wurde. Eine praktische Zurschaustellung Ihrer magischen Kräfte.«
»Praktisch, sagen Sie? Praktisch wäre es, wenn ich einmal eine Nacht durchschlafen könnte. Praktisch wäre es, wenn ich jetzt auf meinem angestammten Stuhl im Geschlossenen Rat sitzen dürfte. Praktisch, wenn die Menschen mein Wort als Gesetz annähmen, so wie sie es früher taten, ohne einen Haufen blöder Fragen zu stellen!«
Die Ähnlichkeit zu der Statue auf dem Weg der Könige wuchs ganz plötzlich enorm. Hier zeigte sich jetzt das gebieterische Wesen, das verächtliche Lächeln, die Drohung schrecklichen Zorns. Die Worte des alten Mannes schienen sich wie mit großem Gewicht auf Glokta zu senken, pressten ihm die Luft aus dem Körper und drohten, ihn in die Knie zu zwingen, sie schnitten in seinen Kopf und hinterließen einen nagenden Schatten des Zweifels. Er warf einen Blick auf das gähnende Loch in der Mauer.
Pulver? Katapulte? Steinbrecher? Gibt es nicht eine noch viel einfachere Erklärung?
Die Welt um ihn herum schien sich zu verschieben, wie schon vor einigen Tagen im Arbeitszimmer des Erzlektors.
Was, wenn sie einfach die Wahrheit sagen? Was, wenn
…
Nein!
Glokta vertrieb diese Vorstellung wieder aus seinen Gedanken. Er hob den Kopf und zeigte dem Alten seinerseits ein verächtliches Lächeln.
Ein alternder Schauspieler mit rasiertem Kopf und überzeugendem Gebaren. Mehr nicht.
»Wenn Sie sind, was Sie zu sein vorgeben, haben Sie von meinen Fragen ebenso wenig zu befürchten wie von Ihren Antworten.«
Der Alte verzog das Gesicht zu einem Lächeln, und plötzlich schwand das seltsame Gefühl von Bedrängnis. »Zumindest Ihre Freimütigkeit, Herr Inquisitor, ist äußerst erfrischend. Zweifelsohne werden Sie Ihr Bestes tun, um Ihre Theorie zu belegen. Ich wünsche Ihnen Glück. Wie Sie schon sagten, habe ich nichts zu befürchten. Ich würde Sie lediglich bitten, dass Sie einige Beweise für einen solchen Betrug beibringen, bevor Sie uns wieder behelligen.«
Glokta verbeugte sich steif. »Ich werde es versuchen«, sagte er und wandte sich zum Gehen.
»Da wäre noch eine Sache!« Der Alte sah wieder zu dem klaffenden Mauerloch hinüber. »Wäre es wohl möglich, ein anderes Quartier für uns zu finden? Der Wind fährt doch ein wenig frisch in dieses Gemach.«
»Ich werde mich darum kümmern.«
»Gut. Vielleicht irgendetwas mit weniger Stufen. Die verdammten Dinger machen meinen Knien inzwischen doch verdammt zu schaffen.«
Tatsächlich? Nun, zumindest da sind wir uns einig.
Glokta warf den dreien einen letzten prüfenden Blick zu. Der kahle Alte erwiderte ihn ruhig, mit einem Gesicht wie eine glatte Mauer. Der schlaksige Jüngling blickte nervös auf und sah dann schnell weg. Der Nordmann hielt die Augen noch immer finster auf die Latrinentür gerichtet.
Scharlatane, Betrüger, Spitzel. Aber wie beweist man das?
»Guten Tag, meine Herren.« Und damit hinkte der Inquisitor mit so viel Würde auf die Stufen zu, wie ihm nur möglich war.
EDLES BLUT
Jezal kratzte die letzten blonden Härchen von der Seite seines Kinns und spülte das Rasiermesser in der Schüssel ab. Dann wischte er es mit einem Handtuch trocken, ließ es zuschnappen und legte es sorgfältig auf den Tisch, wobei er den Schimmer bewunderte, den das Sonnenlicht auf den Perlmuttgriff zauberte.
Er trocknete sich das Gesicht, und dann – es war für ihn der beste Augenblick des Tages – betrachtete er sich selbst im Spiegel. Es war ein sehr guter, der erst kürzlich aus Visserine geliefert und ihm von seinem Vater zum Geschenk gemacht worden war: ein ovales, klares Glas, das in dunkles, mit reichen Schnitzereien verziertes Holz gefasst war. Genau der passende Rahmen für einen so gut aussehenden jungen Mann wie den, der gerade zufrieden zu ihm zurücklächelte. Ehrlich gesagt, ein Begriff wie gut aussehend wurde ihm gar nicht gerecht.
»Du bist eine echte Schönheit, nicht wahr?«, sagte Jezal zu sich selbst und lächelte, während er mit den Fingern über die zarte Haut seines Kinns strich. Und was hatte er für ein schönes Kinn. Man hatte ihm
Weitere Kostenlose Bücher