Kriegswirren
dem Leichnam entfernt. Aber es nur zu glauben, genügte nicht. Tote Männer lagen auf den zurückliegenden Meilen verstreut, tote Feinde. Auch tote Frauen, wie er wußte, doch er hatte sich von allen Plätzen ferngehalten, an denen Sul'dam und Damane gestorben waren, hatte sich geweigert, ihre Gesichter zu betrachten. Die meisten glaubten, Haß auf diejenigen sei der Grund, die so viele seiner Gefolgsleute getötet hatten. Tai'daishar tänzelte einige Schritte auf dem Hügelkämm, bevor Rand ihn mit fester Hand und Kniedruck beruhigte. Es wäre nicht gut, wenn eine Sul'dam ihn bei seinem Tun beobachtete. Die wenigen Bäume um ihn herum konnten nicht viel verbergen. Er registrierte vage, daß er keinen einzigen Baum erkannte. Tai'daishar warf den Kopf auf. Um beide Hände frei zu haben, falls der Wallach sich nicht wieder beruhigte, steckte Rand das Drachenszepter in seine Satteltaschen, so daß nur noch das geschnitzte untere Ende hervorsah. Er hätte dem Pferd seine Erschöpfung mit Saidin nehmen können, aber er wußte nicht, wie er es mit der Macht zum Gehorsam bringen konnte.
Er verstand nicht, wie der Wallach noch genug Energie aufbringen konnte. Saidin erfüllte ihn, brodelte in ihm, aber sein Körper, den er nur vage wahrnahm, wollte vor Erschöpfung zusammenbrechen. Dies war teilweise der reinen Menge an Macht zuzuschreiben, die er heute gelenkt hatte, aber auch der Anstrengung, Saidin soweit zu bekämpfen, daß es tat, was er verlangte. Saidin mußte stets neu erobert und bezwungen werden, jedoch niemals zuvor so stark wie heute. Die niemals vollständig heilenden Wunden an seiner linken Seite schmerzten.
»Es war ein Versehen, mein Lord«, sagte Adley plötzlich. »Ich schwöre es!«
»Haltet den Mund und paßt auf!« befahl Rand ihm barsch. Adley senkte den Blick einen Moment auf seine Zügel, strich sich dann das Haar aus dem Gesicht und hob gehorsam wieder den Blick.
Saidin hier und heute zu kontrollieren war schwerer denn je, aber es irgendwann loszulassen, konnte den eigenen Tod bedeuten. Adley hatte es losgelassen, und Männer waren in unkontrollierten Feuerstößen gestorben, nicht nur die Amadicianer, auf die er gezielt hatte, sondern auch fast dreißig von Ailils Waffenträgern und beinahe ebenso viele von Anaiyellas Leuten.
Hätte er nicht einen Fehler begangen, wäre Adley bei Morr gewesen, bei den Gefährten in den Wäldern eine halbe Meile südlich. Narishma und Hopwil befanden sich bei den Verteidigern im Norden. Rand wollte Adley im Auge behalten. Waren außerhalb seines Sichtkreises noch andere ›Versehen‹ passiert? Er konnte nicht ständig alle überwachen. Flinn machte ein äußerst grimmiges Gesicht, und Dashiva schien vor Anstrengung fast zu schwitzen. Er schimpfte noch immer leise vor sich hin, so leise, daß Rand es nicht einmal mit der ihm innewohnenden Macht hören konnte, und wischte sich mit einem spitzengesäumten Leinentaschentuch, das im Laufe des Tages ziemlich schmutzig geworden war, ständig den Regen aus dem Gesicht. Rand glaubte nicht, daß sie Fehler begangen hatten. Auf jeden Fall hielten weder sie noch Adley die Macht jetzt fest. Und sie würden es auch nicht tun, bis er sie anwies, sie zu ergreifen.
»Ist es vollbracht?« fragte Anaiyella hinter ihm.
Ohne darauf zu achten, wer sie vielleicht von dort draußen beobachtete, riß Rand Tai'daishar zu ihr herum. Die Tairenerin zuckte im Sattel zurück, so daß die Kapuze ihres edlen Regenumhangs auf ihre Schultern fiel. Ihre Wange zuckte. Ihre Augen zeigten Angst - oder Haß. Ailil neben ihr hielt mit rot behandschuhten Händen ruhig ihre Zügel fest.
»Was wollt Ihr denn noch?« fragte die kleine Frau mit kühler Stimme. Eine Lady, die höflich zu einem Diener sprach. »Wenn sich die Größe eines Sieges nach der Anzahl der erschlagenen Feinde bemißt, wird Euer Name wohl allein durch den heutigen Tag in die Geschichte eingehen.«
»Ich will die Seanchaner ins Meer treiben!« fauchte Rand. Licht, er mußte sie jetzt besiegen, wenn er die Chance dazu hatte! Er konnte nicht die Seanchaner und die Verlorenen und nur das Licht wußte wen oder was noch gleichzeitig bekämpfen! »Ich habe es schon früher getan, und ich werde es wieder tun!«
Hast du dieses Mal das Hörn von Valere in deiner Tasche versteckt? fragte Lews Therin listig. Rand knurrte ihn lautlos an.
»Dort unten ist jemand«, sagte Flinn plötzlich. »Er reitet von Westen hier herauf.«
Rand wendete sein Pferd wieder. Legionäre umstanden die Hänge
Weitere Kostenlose Bücher