Kriegswirren
eintreten lassen. Als Elayne hineinging, sah sie den Grund dafür.
Adeleas lag auf der Seite neben einem umgestürzten Stuhl, und ein Becher lag nicht weit von ihrer ausgestreckten Hand auf dem rauhen Holzboden. Ihre Augen waren starr, und eine Pfütze geronnenen Blutes breitete sich von dem tiefen Schnitt in ihrer Kehle aus. Ispan lag auf einem schmalen Feldbett, die Augen starr zur Decke gerichtet. Der weit geöffnete Mund gab ihre Zähne frei, und ihre hervorstehenden Augen schienen voller Entsetzen. Es mußte Entsetzen sein, denn ein armdicker Holzpfahl ragte zwischen ihren Brüsten hervor. Der Hammer, der eindeutig dazu benutzt worden war, den Pfahl einzutreiben, lag neben dem Feldbett nahe einem dunklen Fleck, der sich bis unter das Feldbett erstreckte.
Elayne unterdrückte den starken Drang, sich zu übergeben. »Licht«, flüsterte sie. »Licht! Wer kann das getan haben? Wie konnte jemand so etwas tun?« Aviendha schüttelte verwundert den Kopf, und Lan tat nicht einmal das. Er schaute einfach in neun Richtungen gleichzeitig, als erwarte er, daß derjenige oder dasjenige, wer oder was auch immer diese Morde begangen hatte, durch eines der zwei winzigen Fenster käme, wenn nicht sogar durch die Wände. Birgitte zog ihren Gürteldolch, und ihrer Miene nach zu urteilen wünschte sie sich zutiefst, ihren Bogen mitgebracht zu haben. Dieser aufgelegte Pfeil war stärker denn je in Elaynes Kopf zu spüren.
Nynaeve blieb zunächst stehen, wo sie war, und betrachtete das Innere der Hütte. Abgesehen vom Offensichtlichen war wenig erkennbar. Ein zweiter dreibeiniger Stuhl, ein grobgezimmerter Tisch mit einer flackernden Lampe, eine grüne Teekanne und ein zweiter Becher, ein Kamin aus Feldsteinen mit erkalteter Asche - das war alles. Die Hütte war so klein, daß Nynaeve bereits mit einem Schritt am Tisch war. Sie tauchte ihren Finger in die Teekanne, führte ihn an die Zungenspitze, spie dann heftig aus und schüttete den ganzen, aus Tee und Teeblättern bestehenden Inhalt der Kanne über den Tisch. Elayne blinzelte verwundert.
»Was ist geschehen?« fragte Vandene schließlich kühl von der Tür her. Lan wollte ihr in den Weg treten, aber sie hielt ihn mit einer kleinen Geste auf. Elayne wollte einen Arm um sie legen und wurde mit einer weiteren Geste ebenfalls gehindert. Vandenes Blick blieb auf ihre Schwester gerichtet, ein ruhiger Blick aus einem gelassenen Aes Sedai-Gesicht. Die tote Frau auf dem Feldbett hätte ebensogut nicht dasein können. »Als ich Euch alle hierher eilen sah, dachte ich ... Wir wußten, daß uns nicht mehr viele Jahre blieben, aber ...« Ihre Stimme klang völlig ruhig, allerdings war kaum verwunderlich, daß es Verstellung war. »Was habt Ihr gefunden, Nynaeve?«
Mitleid wirkte an Nynaeve seltsam. Sie räusperte sich und deutete auf die Teeblätter, ohne sie zu berühren. Zwei weiße Schnitzel lagen unter den mattschwarzen Blättern. »Das ist Rotdornwurz«, sagte sie und versuchte, sachlich zu klingen. »Sie schmeckt süß, so daß man sie im Tee vielleicht nur bemerkt, wenn man weiß, was es ist, besonders wenn man viel Honig nimmt.«
Vandene nickte, ohne den Blick von ihrer Schwester abzuwenden. »Adeleas hat in Ebou Dar Gefallen an süßem Tee gefunden.«
»Ein wenig davon lindert Schmerz«, sagte Nynaeve. »So viel davon ... so viel davon tötet, wenn auch langsam. Schon ein paar Schlucke genügen.« Sie atmete tief durch und fügte hinzu: »Sie waren vielleicht noch Stunden bei Bewußtsein. Unfähig, sich zu bewegen, aber bei Bewußtsein. Entweder wollte derjenige, der dies getan hat, nicht riskieren, daß zu rasch jemand mit einem Gegenmittel käme - obwohl ich gegen ein solch starkes Gebräu keines kenne -, oder er wollte, daß eine von ihnen oder beide wüß-ten, wer sie getötet hat.« Elayne war entsetzt über die Brutalität, aber Vandene nickte nur.
»Es war vermutlich Ispan, da man mit ihr die meiste Zeit verbracht hat.« Es schien fast, als würde die weißhaarige Grüne laut nachdenken, um einem Rätsel auf die Spur zu kommen. Es beanspruchte weniger Zeit, jemandem die Kehle durchzuschneiden, als jemandem einen Pfahl durchs Herz zu treiben. Ihre Ruhe verursachte Elayne eine Gänsehaut. »Adeleas hätte niemals von jemandem etwas zu trinken angenommen, den sie nicht kannte, nicht hier draußen mit Ispan. Diese beiden Tatsachen entlarven ihre Mörderin in gewisser Weise - eine Schattenfreundin, eine aus unserer Gruppe. Eine von uns.« Elayne spürte ihr eigenes und
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