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Kriegswirren

Kriegswirren

Titel: Kriegswirren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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uralte Formel ging ihr leicht von den Lippen. »Im Namen des Hauses Trakand, nach dem Recht der Abstammung von Ishara, bin ich gekommen, um den Löwenthron von Andor zu beanspruchen, wenn das Licht es will.«
    Die Tore wurden weit geöffnet.
    Aber es würde natürlich nicht so leicht werden. Selbst der Besitz des Palasts genügte nicht, um den Thron Anders unangefochten innezuhaben. Sie übergab ihre Begleiter der Obhut einer erstaunten Reene Harfor - sie war sehr erfreut zu sehen, daß die bereits ergrauende Haushofmeisterin, rundlich und herrschaftlich wie jede Königin, den Palast noch immer in ihren fähigen Händen hatte - und eines erlesenen Kreises von Dienern in rotweißer Livree und eilte zum Großen Saal, dem Thronsaal Andors. Dies war jedoch noch nicht Teil des Rituals. Sie hätte sich eigentlich umziehen und ihr rotes Seidengewand mit dem perlenverzierten Leibchen und den weißen Löwen auf den Ärmeln anlegen sollen, aber sie fühlte sich getrieben. Dieses Mal erhob nicht einmal Nynaeve Einwände.
    Weiße, zwanzig Fuß hohe Säulen säumten die Seiten des Großen Saals. Der Raum war leer und still, aber das würde nicht lange vorhalten. Das klare Nachmittagslicht, das durch die hohen Fenster entlang den Wänden fiel, vermischte sich mit dem farbigen Licht von den in die Decke eingelassenen Fenstern, auf denen sich der Weiße Löwe von Andor mit Szenen andoranischer Siege und den frühesten Königinnen abwechselte, beginnend mit Ishara selbst, so dunkel wie jede Atha'an Miere und mit der ganzen Autorität jeder Aes Sedai. Keine Herrscherin Andors konnte ihren Status vergessen, wenn die Vorgänger, welche diese Nation gestaltet hatten, auf sie herabsahen.
    Vor dem Anblick eines bestimmten Gegenstands fürchtete Elayne sich - vor der gewaltigen Ungeheuerlichkeit des ganz aus vergoldeten Drachen bestehenden Throns, den sie in Tel'amn'rhiod am Ende des Saals auf dem Podest hatte stehen sehen. Er war, dem Licht sei Dank, nicht da. Der Löwenthron stand auch nicht mehr wie eine Trophäe auf einem hohen Sockel, sondern auf seinem rechtmäßigen Platz auf dem Podest, ein wuchtiger Sessel, geschnitzt und vergoldet, aber für eine Frau gemacht. Der Weiße Löwe, mit Mondsteinen auf einem Feld aus Rubinen gestaltet, würde über dem Kopf jeder Frau aufragen, die sich auf den Thron setzte. Kein Mann konnte sich darauf wohl fühlen, weil er, wie die Legende behauptete, dann wüßte, daß er sein Schicksal besiegelt hätte. Elayne hielt es für wahrscheinlicher, daß die Erbauer einfach sichergestellt hatten, daß ein Mann nicht darauf paßte.
    Sie erklomm die weißen Marmorstufen des Podests und legte eine Hand auf die Armlehne des Throns. Sie hatte kein Recht, sich darauf niederzulassen, noch nicht. So lange nicht, bis sie als Königin anerkannt würde. Aber Eide auf den Löwenthron zu schwören war ein Brauch, der so alt wie Andor selbst war. Sie mußte dem Verlangen widerstehen, einfach auf die Knie zu sinken und den Thronsitz mit Tränen zu benetzen. Sie war vielleicht mit dem Tod ihrer Mutter ausgesöhnt, aber diese Umgebung brachte dennoch allen Schmerz zurück. Sie durfte jetzt nicht zusammenbrechen.
    »Unter dem Licht, ich werde dein Andenken ehren, Mutter«, sagte sie leise. »Ich werde den Namen Morgase Trakand ehren und versuchen, dem Hause Trakand nur Ehre zu machen.«
    »Ich habe den Wachen befohlen, die Neugierigen fernzuhalten. Ich dachte, daß Ihr hier vielleicht eine Weile allein sein wolltet.«
    Elayne wandte sich langsam zu Dyelin Taravin um, während die blonde Frau den Großen Saal herabschritt. Dyelin war eine der ersten gewesen, die ihre Mutter bei ihrem Anspruch auf den Thron unterstützt hatten. Ihr Haar war grauer, als Elayne es in Erinnerung hatte, und es waren mehr Falten um ihre Augenwinkel zu sehen als früher. Aber sie war noch immer recht hübsch, eine starke Frau. Und als Freundin oder Gegnerin gleichermaßen mächtig.
    Sie blieb am Fuß des Podests stehen und schaute hinauf. »Ich höre seit zwei Tagen, daß Ihr am Leben wärt, aber ich habe es bis jetzt nicht wirklich geglaubt. Also seid Ihr gekommen, um den Thron vom Wiedergeborenen Drachen entgegenzunehmen?«
    »Ich beanspruche den Thron nach meinem eigenen Recht, Dyelin, mit eigener Hand. Der Löwenthron ist kein Tand, den man von einem Mann empfängt.« Dyelin nickte, als sei dies eine selbstverständliche Wahrheit. Was es für jeden Andoraner auch war. »Wie ist Eure Position, Dyelin? Für Trakand - oder dagegen? Ich habe Euren

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