Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
Spanien entkommen, war er 756 als Emir in Córdoba zur Herrschaft gelangt. Inzwischen aberbekämpfte ihn eine abbasidenfreundliche Opposition, und zu seinen gefährlichsten Widersachern gehörte Suleiman Ibn al-Arabi, der Statthalter von Barcelona und Gerona. Schon seit längerem im Aufstand und von seinem Gegner schwer bedrängt, hatte Suleiman mit anderen prominenten Oppositionellen 777 auf dem Reichstag in Paderborn den Frankenkönig zu Hilfe gerufen. Stets schnell einsatzbereit und auch willig, zögerte der nicht und führte einen reinen Eroberungskrieg gegen den Omaijadenemir, wobei er die Reichsgrenze – noch nach dem Fehlschlag sein Ziel – bis an den Ebro vorschieben wollte.
Nur politische Motive bestimmten ihn. Er hatte ohne Zweifel eine sehr schlachtbewährte Armee, die aber nur durch fortgesetztes Schlachten auf ihrem hohen Stand gehalten werden konnte. Zudem brachten Feldzüge Beute, und fast nichts war notwendiger. »Die Großen des Reiches mußten von Zeit zu Zeit ihren Happen bekommen, um bei Laune zu bleiben, und neue Vasallen konnten auch nur durch Freigebigkeit gewonnen werden« (de Bayac). Der karolingische Staat war ein reiner Raubstaat von Anfang an, und er blieb es, sogar mit steigender Tendenz. Gerade unter Karl »dem Großen« lebte man von nichts mehr als von Raub – und der Hilfe Gottes.
Nun gab es zwar jenseits der Pyrenäen, im gebirgigen Nordwesten, in Asturien und Galizien, noch ein schmales, von Christen gehaltenes Gebiet. Doch die Christen genossen damals durch die »Ungläubigen« Religionsfreiheit und eine milde Behandlung – haben doch überhaupt »die Araber in Spanien immer eine größere Duldung geübt, als sie selbst später von Seite der Christen erfuhren« (Mühlbacher). Erst nachfolgende christliche Chronisten ließen ihre Glaubensgenossen »in Spanien unter dem Joch der Sarazenen« schmachten und Karl der »leidenden Kirche zu Hilfe kommen«. In Wirklichkeit hat der fromme Herrscher dem christlichen, einst von Westgoten gegründeten Königreich Asturien nie Hilfe geleistet. Vielmehr attackierte er als erstes eine christliche Stadt, und als letztes, schon auf dem Heimweg, bescherten ihm christliche Basken noch einen blutigen Denkzettel. 16
Mit einem ungewöhnlich starken Heer, nach Berichterstattern das bei weitem größte, das er je zusammengetrommelt hatte, brach er noch zu Beginn des Winters 777 auf und überschritt die Pyrenäen »unter Gottes Beistand«, wie 840 ein Biograph Ludwigs des Frommen schreibt. »Denn des Königs Sinn ... wollte weder geringer als Pompejus' noch träger als Hannibals sein, die mit großer Anstrengung und Verlust für sich und die ihrigen einst die Schwierigkeiten dieser Gegend zu überwinden wußten.« Zwar eroberte Karl, nach Einhard, alle Städte und Burgen, die er belagerte. Doch über Saragossa hinaus vermochte er nicht vorzudringen. Der Wali al-Husain verschloß ihm dort die Tore, Karl machte anscheinend nach wenigen Tagen kehrt, und bis heute ist ungewiß, was ihn zu dem jähen Abbruch der »wohl größten militärischen Expedition seines Lebens« (Braunfels) bestimmt hat.
Auf dem Rückmarsch zerstörte er die Baskenstadt Pamplona. Und als er im August 778 sein eisenstarrendes Heer, in schier endlos langer Reihe aufgelöst, wieder über die schmalen Bergpfade der dichten Pyrenäenwälder führte, stürzten sich die Basken, angeführt von den Söhnen Suleimans, die ihren Vater dabei befreiten, vielleicht bei Roncevalles, wohin freilich erst die Sage den Schlachtort verlegt, wahrscheinlich aber am 15. August, in einer engen Schlucht von oben auf Karls Nachhut, warfen die völlig überraschten, in Panik geratenen Soldaten ins Tal und machten sie »in dem darauffolgenden Gemetzel bis auf den letzten Mann nieder« (Einhard).
Viele der vornehmsten Franken waren darunter, der königliche Truchseß Ekkehard – dessen Grabschrift mit dem Todestag 15. August allein das Tagesdatum überliefert –, der Kommandant der Palastwache, Pfalzgraf Anselm, und der Befehlshaber der Bretagne, Markgraf Hruotland (Roland), den im 12. Jahrhundert das altfranzösische Nationalepos »Chanson de Roland« und das deutsche »Ruolantes liet«, das »Rolandslied« des Regensburger Pfaffen Konrad, verherrlichten, dessen Titelheld noch jetzt versteint vor Bremens prächtigem Rathaus steht. »Bis heute«, klagt Einhard, »konnte das unselige Geschehen nicht gerächt werden, da sich der Feind nach vollbrachter Tat so weit verstreute, daß man keine Ahnung hatte,
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