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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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christianisiert, vor allem durch Missionare aus Regensburg. So konnte man dort 845 auch 14 böhmische Große (duces) mit ihrem Gefolge (cum hominibus) taufen. 24
    Nach dem Zusammenbruch Großmährens war Böhmen unter den westslawischen Völkern die bedeutendste Macht. Die Tschechen, um Prag sitzend, eine der ältesten »Hauptstädte« Europas, hatten das ganze Land vermutlich schon bis zum ausgehenden 9. Jahrhundert geeint. Damals waren Herzog Borivoj I. (gest. um 894) und, an unbekanntem Ort, auch seine Frau Ludmila, Tochter eines Sorbenfürsten, »bekehrt« worden, der Herzog, der Überlieferung nach, am Hof Svatopluks von Mähren durch den Erzbischof Method, wenn das Datum der Taufe auch nicht feststeht.
    Mit ihnen jedenfalls beginnt eine neue, und zwar christliche Fürstenreihe, das tschechische Geschlecht der Premysl (Primizl), das Böhmen bis 1306 regiert. Auch die Söhne dieses Fürstenpaares, Spytihnev (889–915) und Vratislav I. (915–921) – Breslau trägt seinen Namen –, sind Christen. Ebenso des letzteren Söhne, die Premysliden-Herzöge Wenzel (Václav) I. (921–935) und sein Bruder Boleslav I. (929–967 oder 973), nach mehreren Quellen der Jüngere, nach einer Quelle der Ältere. Beide kamen nach dem frühen Tod ihres Vaters, des Herzogs Vratislav, als noch Unmündige unter die Vormundschaft ihrer Mutter Drahomir, Tochter eines Hevellerfürsten, die gleichfalls Christin war und die Regierungsgewalt hatte. Und beide Söhne erzog sogar eine Heilige, ihre Großmutter, die hl. Ludmila (860–921).
    Spätere christliche »Legenden« freilich machten aus Drahomir und Boleslav Heiden, weil jene ihre Schwiegermutter, die hl. Ludmila, dieser seinen Bruder, den hl. Wenzel, ermordet hat bzw. ermorden ließ. Und noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts läßt sich katholische Geschichtsschreibung von Legenden bestimmen, gibt Wetzer/Weltes kirchliches Standardwerk Drahomir als »Heidin« aus, die seit Ludmilas Ermordung »mit ihrem heidnischen Anhang nach Herzenslust« schaltete.
    Im 20. Jahrhundert aber ist auch im katholischen »Lexikon für Theologie und Kirche« Drahomir »nicht heidnisch«, vielmehr »getauft«. Und ebenso ist Boleslav
»durchaus Christ«,
und zwar »sicherlich von Jugend auf« (Naegle). Haben doch nun auch nach dem »Handbuch der Kirchengeschichte« Boleslav I. wie sein Sohn Boleslav II. (gest. 999) »am Christentum durchaus festgehalten, ja sogar zu seiner Festigung beigetragen«.
    Noch am Tag des Brudermords demonstriert der Mörder nach einer altslawischen Überlieferung sein Bekenntnis, indem er dem Priester Paul befiehlt, über Wenzels Leiche zu beten. Und auch Drahomir, die am 15. September 921 durch ihre Gefolgsleute Tunna und Gommon die hl. Ludmila töten und die Täter reich belohnen läßt, erbaut über Ludmilas Grab eine S. Michaeliskirche (während das Mörderduo auf ihren Befehl schließlich verfolgt und Gommon umgebracht wird, Tunna entkommt). Doch hat, Jahrhunderte später, nicht in Würzburg ein Bischof Hexen verbrannt, nicht wenige, und Messen gestiftet für ihre Seelen?! Kein Wahnsinn ist ausgeschlossen in dieser Religion, die Wahnsinn ebenso als Vernunft wie Vernunft als Wahnsinn ausgeben kann, als Werk des Teufels. 25
    Boleslav ließ auch die Gebeine seines Opfers aus Stara Boleslav (Altbunzlau), seiner Residenz, in die Prager St. Veitskirche bringen. Die Überführung geschah mit seiner Zustimmung, vielleicht gar auf seinen Befehl. Und er ließ diese Kirche auch durch den Regensburger Bischof Michael unter besonderer Teilnahme von Volk, Adel und Klerus konsekrieren. Ferner sorgte der Mörder Wenzels dafür, daß sein zweiter Sohn Strachkvas, später »Christian« genannt, im Kloster St. Emmeram in Regensburg, zu dem er enge Beziehungen unterhielt, als Benediktiner heranwuchs. Boleslavs Tochter Milada wurde die erste Äbtissin des Prager Nonnenklosters St. Georg, seine Tochter Dubrawka (Dobrawa) 965 die Frau des polnischen Herzogs Mieszko I. aus dem Hause der Piasten; nach polnischen Quellen unter der Auflage, daß er zum Christentum übertrete, was im folgenden Jahr auch geschah und Polen christlich machte (S. 463). 26
    Natürlich haben heidnische Restgruppen beim Machtkampf in Böhmen eine Rolle gespielt, ebenso aber innerdeutsche, genauer sächsisch-bayerische Auseinandersetzungen. Suchte Heinrich I. doch zweifellos in Böhmen Einfluß zu nehmen, wobei er, wie vermutet wurde, Wenzel als Gegenspieler gegen den vom Bayernherzog Arnulf unterstützten

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