Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Vaterlandes«, mehrere Beispiele, »Beweise« auftischt, damit ja »kein Christgläubiger mehr an der künftigen Auferstehung der Toten zweifle ...« Denn das christliche Dauermassaker viribus unitis von Thron und Altar seit dem frühen 4. Jahrhundert (I 247 ff.) wird traditionell innig mit dem christlichen Glauben verwoben. Je mehr Blut fließt, desto nötiger der »liebe« Gott, besonders aber die Predigt von der Auferstehung – die Weiterlebenslüge.
So präsentiert Thietmar gleich »eine jüngst aus dieser Welt Gegangene«, die sich, wieder aufgerappelt, ganz normal mit einem Priester unterhält, was natürlich »zuverlässige Kunde« verbürgt. Etwas »ganz Ähnliches«, fährt der Bischof fort, »sahen und hörten zu meiner Zeit in Magdeburg Wächter«. Sahen und hörten sie doch in einer Kirche zwei wiederum Mausetote »richtig singen«. Und auch die herbeigeholten »angesehensten Bürger« erlebten diesen wirklich wunderbaren Genuß, wofür es abermals »glaubhafte Zeugen« gibt. Wie denn auch in Deventer Tote in einer Kirche opferten und sangen und einen sie beguckenden Priester kurzerhand hinauswarfen, ja diesen in der nächsten Nacht mir nichts, dir nichts vor dem Altar »zu Staub und Asche« verbrannten, was sogar Thietmars kranke Base Brigida bezeugt (wohl die Tochter seines Onkels, des Markgrafen Liuthar von der sächsischen Nordmark), die überdies versichert: »Hinderte mich meine Schwäche nicht, lieber Sohn, so könnte ich Dir noch viel von alledem erzählen.«
Und Bischof Thietmar uns!
Geht es ihm – der selbst einmal »deutlich ein Totengespräch« belauschte, wie jetzt ein »Gefährte« von ihm erhärten könnte – doch nur darum, »allen Gläubigen«, und zwar »deutlich«, wie er wieder betont, »die Gewißheit der Auferstehung und zukünftiger Wiedervergeltung nach ihren Verdiensten« zu predigen; allen also glauben zu machen, daß man im Krieg stolz »Zierde und Trost des Vaterlandes« sein, daß man seelenruhig »fallen« könne, weil man ja wieder aufsteht, aufersteht, wie seine beiden Urgroßväter bei Lenzen ... Und noch dem »Ungläubigen« macht er dies gänzlich unbezweifelbar durch die Worte der Propheten: »Herr, deine Toten werden leben!« Oder: »Und die Toten in den Gräbern werden sich erheben, die Stimme des Gottessohnes hören und frohlocken ...« Ja, welcher Schwachkopf möchte da noch zweifeln!
Da alles so einfach, glaubhaft und vor allem so wahrhaftig ist, zumal für einen christlichen Bischof, füttert uns Thietmar in seinem Geschichtswerk förmlich mit Wunderbarem, mit Traumgesichten, Offenbarungen, Teufelserscheinungen, Visionen, mit Zeichen und Wundern, Heilungswundern, Strafwundern, mirakulösen Sonnenfinsternissen etc. etc. Ist dies doch das Werk eines Mannes, wie uns die Forschung versichert, der »aus einer der besten Schulen hervorgegangen«, »der auf der Höhe der Bildung seiner Zeit stand«, der »weitreichende Kenntnisse« hatte (Trillmich) – Ergo kann der vom Schlag getroffene Magdeburger Dekan Hepo zwar »kaum noch flüstern«, aber noch »sehr schön mit den Brüdern die Psalmen singen«. Ergo erneuert sich irgendwo ausgegangener Wein von ganz allein, so daß nicht nur die Nonnen eines Klosters »lange Zeit« davon trinken, »sondern auch viele andere Umwohner und Gäste zum Lobe des Herrn«. Und irgendwo stinkt ein heiliger Leichnam nicht, sondern duftet einfach so kräftig wie lieblich »nach dem Zeugnis höchst glaubwürdiger Männer noch in mehr als drei Meilen Entfernung«.
Selbstverständlich dürfen wir all das und derlei schockweise mehr, so belehren uns Historiker wie Theologen, nicht von heute, sondern nur von einer Zeit aus beurteilen, die anders glaubte, anders dachte. Das klingt weise. Doch beiseite, daß noch heute Millionen so glauben und denken – warum dachte und glaubte man denn diesen ganzen unsterblichen Stuß über Epochen hin so verbissen? Weil Tausende und Abertausende verpfaffter Tölpel und Betrüger ihn eingetrichtert, weil sie die klassischen Ideale der griechischen Antike durch Jahrhunderte ruiniert, »die Weisheit dieser Welt zur Torheit« gemacht (1. Kor. 1,20), weil sie das Abend- wie Morgenland in diesen ganzen finster fatalen Sumpf von Unwissenheit und Aberglauben, von Reliquien-, Wunder-, Wallfahrtsschwindel gestürzt, die Völker geistig geradezu darin begraben haben (vgl. bes. III 3. u. 4. Kapitel!); weil sie die Allgemeinbildung aus den Schulen verbannt, die gesamte Erziehung der Christianisierung untergeordnet,
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