Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Kölner Metropoliten. Dabei übergab dann der Mainzer, »ein Mann von wunderbarer Heiligkeit« (Widukind), im Innern der Kapelle und sozusagen unter dem Krummstab, den er trug, Otto als erstes der Reichsinsignien das Schwert mit den Worten: »Nimm hin dies Schwert, mit dem Du alle Widersacher Christi, Heiden und Ketzer, austreiben sollst auf Grund der Dir verliehenen göttlichen Vollmacht und auf Grund der Macht des ganzen Reiches der Franken, zur Befestigung des Friedens aller Christen«. Ein Satz, von dem Pierre Riché sagt, er enthalte »schon das gesamte ottonische Herrschaftsprogramm«. Den Heidenkrieg jedenfalls brachte der Gekrönte zur Genüge, den Frieden unter Christen nie, weder diesseits noch jenseits der Alpen. 6
Nach der Weihe und Salbung in der basilica »Magni Karoli« wurde Otto, der bewußt in fränkischer Tracht, also mit enganliegendem Gewand, erschienen war, im Westchor des Münsters auf den steinernen Thron Karls gesetzt (noch immer auf der Empore der Pfalzkapelle zu bestaunen); und dies ganze, gewiß sorgfältig vorbedachte Zeremoniell zeigt den jungen Monarchen als rex Francorum, als Fortsetzer karolingischer Traditionen. Die Kirche machte ihn zum »rex gratia dei«, zum König von Gottes Gnaden, zu dem »von Gott erkorenen« (a Deo electum), und hob ihn damit deutlich über den gesamten Adel.
Ebenso deutlich freilich zeichnete sich bereits jetzt, im eklatanten Unterschied zum Regierungsbeginn seines Vaters und Vorgängers, eine neue Machtposition, eine Schlüsselstellung des Klerus und die klare Unterordnung der Herzöge ab. Sie sind nicht mehr Ranggleiche unter einem Ersten, wie unter Heinrich I., sondern sie sind »Diener« eines Gesalbten, eines Herrn von Gottes Gnaden. Sie, Giselbert von Lotharingien, Eberhard von Franken, Hermann von Schwaben und Arnulf von Bayern, versehen beim Königsmahl in feierlicher Form gegenüber dem neuen Gebieter die Hofdienste des Kämmerers, Truchsessen, Mundschenken und Marschalls, Ämter, die sich schon am Hof der Merowingerfürsten finden und aus denen später die vier Erzämter des Reiches hervorgehen.
Aachen aber wurde zum Krönungsort der deutschen Machthaber des Mittelalters. In sechshundert Jahren, zwischen 936 und 1531, empfingen hier 34 Könige und 11 Königinnen die Krone. 7
Schutz der Kirche, Krieg den Heiden
Otto I., der sich gleich bei seiner Thronbesteigung kirchlich salben, eine »höhere« Weihe geben ließ, war ein sehr gläubiger, durch und durch katholischer Fürst, ja so vom sakralen Charakter seines Herren-und Herrschertums, so von dessen Zuordnung auf den Klerus durchdrungen, »daß die Ausübung königlicher Gewalt für ihn zum Priesterdienst wurde« (Weitlauff). Sein durch den Salbungsakt sozusagen gesteigertes Königtum bekundet von Anbeginn an »eine gewandelte Einstellung gegenüber der Kirche« und wird »gleichsam zum Vorbild der christlichen Monarchien des Mittelalters« (Struve). Ottos Untertanen, wenn wir Widukind glauben können, sehen in ihm die Norm gottgerechten Handelns. Der König, der übrigens sächselt, ein rötliches Gesicht und einen langen Bart hat, steht ständig unter Gottes Schutz, ist die Stütze und Hoffnung der Christenheit, der große Gottesfürst, dessen Herrschaft der des Herrn über das All ähnelt.
Wie Karl »der Große« erblickt auch Otto »der Große« seine Hauptaufgabe im Schutz der Kirche und, trotz mancher Zwischenfälle, des Papsttums. Geradezu wörtlich hat er in einer noch erhaltenen Urkunde die üblichen Versprechungen der Karolinger gegenüber den Päpsten erneuert, hat er die alten Schenkungen wieder verbrieft und die kanonische Besetzung des römischen Stuhles garantiert.
Neben und mit der »defensio ecclesiae« aber sieht dieser Fürst, der nie die Krone trägt, ohne vorher gefastet zu haben, seine weitere Hauptaufgabe »in der Bekehrung der Heiden zu Gott« (Brackmann). Zeigt sich doch gerade bei ihm »sehr stark eine ziemlich lange Verbindung von Ostkrieg und Ostmission« (Bünding-Naujoks). Und war die Kirche auch kein ganz einheitlicher Interessenblock, läßt sie doch selbstverständlich für Otto und seine Truppen beten, ist die Bitte für das Heer in den Litaneien und Laudes ja schon seit dem 8. Jahrhundert die Regel. 8
Im Krieg weht die Reichsfahne mit dem Bild des Erzengels Michael den königlichen Schlächtern voran. Und natürlich zieht auch die »heilige Lanze« mit ihnen. In militärischer Bedrängnis wirft sich Otto, wie im März 939 südlich von Xanten, inbrünstig
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