Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
wahrscheinlich in erneute innenpolitische Konflikte gerissen.)
Die Lechfeldschlacht 955 – eine »große Gabe der göttlichen Liebe«
Bei Augsburg – seine Bischöfe sind vom 4. bis zum 8. Jahrhundert (von Zosimus/Dionysius bis zu Marcianus) »legendär«, das heißt vorgetäuscht (quellenmäßig gesichert ist erst Bischof Wicterp, gest. vor 772.), bei Augsburg war der schwäbisch-fränkische Heerbann von den Ungarn schon 910 unter Ludwig dem Kind geschlagen worden (S. 357). 913 und 926 hatten die Invasoren erneut die Umgebung der Stadt verwüstet. Und wie 954 waren sie auch 955 in Bayern eingefallen, um vom Bürgerkrieg in Deutschland, vom Liudolfinischen Aufstand, zu profitieren. Sie brandschatzten zwischen Donau und Iller, raubten unbefestigte Orte aus und begannen, die Bischofsstadt Augsburg zu belagern.
Nun aber behinderten den König nicht mehr Rebellen im eigenen Lager. Vielmehr mobilisierte er rasch ein Aufgebot aus fast allen deutschen Stämmen, zumal aus Franken, Bayern, Schwaben, doch sogar aus Böhmen. Nur das lothringische Heer fehlte und der größte Teil des sächsischen, das gegen die Slawen bereitstand. Dafür focht aber auf christlicher Seite ein wirklicher Heiliger, der Bischof Ulrich von Augsburg – freilich focht da auch der Mörder, der Brudermörder eines Heiligen, der Tscheche Boleslav (S. 403 ff.), von Otto 950 durch einen Feldzug zur Lehenshuldigung gezwungen.
Als der deutsche König herangerückt war und »das riesige Heer der Ungarn erblickte, dünkte ihn, es könne von Menschen nicht bezwungen werden, es sei denn, daß Gott sich erbarme und sie töte« (Vita Oudalrici). 21
Und Gott und Otto kooperierten; wobei Otto nicht mit Versprechungen und Drohungen geizte, seinen Recken jedoch besonders »Lohn und Huld für ihren Beistand« verhieß, »ewigen Lohn, wenn sie fallen sollten, die Freuden dieser Welt aber, wenn sie siegreich wären« (Thietmar). So konnte, zumindest für den Einzelnen, nichts schief gehn.
Indes die Ungarn angeblich den Ihren zum Kampf »mit der Peitsche drohten« (Vita Oudalrici), setzte der katholische König das ganze geistliche Instrumentarium ein, tat er alles, was auch sonst in christlichen Massenmordfällen zu tun ist, um den Himmel zu bestechen und die potentiellen Schlachtopfer metaphysisch zu präparieren. Schon tags zuvor hatte er ein Fasten im Lager befohlen, und nun gelobte er unter Tränen, für einen Sieg an diesem Tag in der Burg Merseburg ein Bistum errichten und seine große, jüngst begonnene Pfalz zur Kirche ausbauen zu lassen, »Er erhob sich vom Boden, feierte die Messe und empfing die von seinem wackeren Beichtiger Ulrich gereichte Kommunion; dann ergriff er unverzüglich Schild und heilige Lanze, brach als erster vor seinen Kriegern in die Reihen der Widerstand leistenden Feinde ein ...« (Thietmar)
Irrt sich auch der Chronist, da nicht der »Beichtiger Ulrich«, eingeschlossen ja in Augsburg, dem königlichen Feldherrn die Kommunion gereicht haben kann, so sieht man hier doch, wie »unverzüglich« die heilige Messe, die heilige Kommunion, die heilige Lanze in die, wie der Bischof gleich darauf schreibt, »Blutarbeit« umgesetzt werden. Sehr gut. (Und genau so noch in den großen christlichen Vernichtungsorgien des 20. Jahrhunderts – mal beiseite, daß die »heilige Lanze« da im Museum und auch kein König oder sonstiger Oberster Kriegsherr – leider! – mehr dabei ist, wovon man gar nicht genug verlieren könnte.) 22
Mönch Widukind überliefert noch eine kurze, recht bemerkenswerte Rede Ottos I. unmittelbar vor der allgemeinen Abstechung: »Daß wir in dieser Bedrängnis guten Muts sein müssen, das seht ihr selbst, meine Mannen, die ihr den Feind nicht in der Ferne (!), sondern vor uns sehen müßt. Bis hierher habe ich mit eueren rüstigen Armen und stets siegreichen Waffen rühmlich gekämpft und außerhalb (!) meines Bodens und Reiches allenthalben gesiegt; sollte ich nun in meinem eigenen Lande und Reiche den Rücken zeigen? ... ... Schämen müßten wir, die Herren fast ganz Europas, uns, wenn wir uns jetzt den Feinden unterwerfen.«
Bis hierher, bekennt die deutsche Majestät, haben ihre Mannen den Feind (Otto vergißt die vielen Bürgerkriege!) offenbar stets »in der Ferne« bekämpft, »außerhalb meines Bodens und Reiches ...« Das besagt doch klipp und klar, was allerdings ohnedies feststeht, die Franken, die Deutschen trieben es ganz ähnlich wie die gottverdammten Ungarn; überfielen fremde Länder, Völker,
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