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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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der hohe geistliche Betrüger ein enger Freund des hl. Wolfgang, der auf Pilgrims Betreiben 972 Bischof von Regensburg wurde (später Patron der Holzhauer, Zimmerleute, Hirten, Schiffer, hilfreich auch bei Augen-, Fuß- und Kreuzschmerzen) – »innige Freundschaft vereinigte in Bälde die beiden Männer bis zu Pilgrims 991 erfolgtem Tode« (Janner).
    Vor allem aber hatte Bischof Pilgrim beste Beziehungen zu den Ottonen, von denen er zahlreiche Privilegien erhielt. Der rührige Förderer der Mission im Südosten, wo einer seiner zahlreichen Missionare sogar den Großfürsten Géza (Geycha 972–997) in Gran (ung. Esztergom), den Vater Stephans I., zum Christen machte, wollte allerdings mehr: nicht nur die Stadthoheit (Grundherrschaft, Zoll, Immunität), nicht nur die Ausdehnung seines Bistums in der »Ostmark«, sondern auch das Pallium sowie das Ungarnland und Mähren unter Passauer Metropolitangewalt. Deshalb gab er in den »Lorcher Fälschungen« Passau als legitimen Erben des römischen Bistums Lorch (Lauriacum) an der Enns (Oberösterreich) aus, das er nachträglich zum Erzbistum erhob. Es sollte in römischer Zeit über ganz Pannonien, Mähren und Moesien sich erstreckt und bis 738 existiert haben.
    Um den Zusammenhang seines 739 gegründeten Sprengeis mit dem Erzbistum Lorch zu beweisen und selbst Erzbischof zu werden, seine Macht zu erweitern, seine Einkünfte zu mehren und sich von der bayerischen Metropole Salzburg zu lösen, fälschte Pilgrim als versierter Schreiber der königlichen Kanzlei zwischen 970 und 985 eine Reihe von Dokumenten: eine Gründungsbulle auf den Namen von Papst Symmachus (498–514), ferner Pallienurkunden auf die Namen von Päpsten des 9. und 10. Jahrhunderts, von Eugen II., Leo VII., Agapet II. und Benedikt VI.
    Auch präsentierte der Bischof weitere, nach Form und Inhalt falsche, doch geschickt gemachte kaiserliche und königliche Diplome: einige angebliche Kaiserurkunden Karls »des Großen«, Ludwigs des Frommen und Arnulfs, die er wohl von einem Notar der kaiserlichen Kanzlei fabrizieren ließ; wozu noch die Verunechtung und Manipulierung echter Urkunden Ottos I. und Ottos II. kamen. Eine unter Pilgrim gefälschte Urkunde Kaiser Arnulfs vom 9. September 898 beispielsweise, die u.a. die Gerichtsbarkeit der Stadt ausschließlich dem Bischof zugestand, bildete die Grundlage für das am 3. Januar 999 ausgestellte Diplom Ottos III., das dem Passauer Oberhirten Markt, Münze, Zoll, Bann und öffentliche Gewalt in Passau vorbehielt.
    In den falsifizierten Papstschriftstücken wird den Passauer Bischöfen der erzbischöfliche Titel und ihrem »Erzbistum« magyarisches und slawisches Land zugesprochen, das apostolische Vikariat in Pannonien, Mösien, dem Hunnenland und Mähren. Das ganze ehrgeizige Unternehmen sollte auf Kosten Salzburgs gehen, weshalb der dortige Erzbischof Friedrich, der Onkel Pilgrims, denn auch alsbald mit einer Gegenfälschung auftrat und seine durchaus besseren Rechte durch ein rasch fingiertes Privileg Benedikts VI. sicherte. Trotz des Passauers »Verdiensten« um die Ungarnmission – er strich sie selbst in einem Begleitschreiben zu seinen Schwindeleien heraus – entschied Papst Benedikt VII. zugunsten des Salzburgers und dessen Gewalt über ganz Pannonien.
    War Bischof Pilgrims frommen Bemühungen aber auch kein Erfolg beschieden, blieb sein Name dennoch in Passau gefeiert (wie natürlich lange in der theologischen »Forschung«); ja, er ging als Oheim Kriemhilds und ihrer Brüder in das Nibelungenlied ein. So ist ihm, rühmt das »Lexikon für Theologie und Kirche«, »ein literarisches Denkmal gesetzt«. Tatsächlich ließ der große Fälscher die Nibelungensage aufzeichnen – »Von Pazowe der bischof Pilgerîn /durch liebe der neven sîn / hiez schrîben dis ein maere«. 25
    Schon 1854 hatte Ernst Dümmler in einer Schrift über Pilgrim und das Erzbistum Lorch die Fälschungen aller Lorch betreffenden Pallienurkunden für Passau samt der Unechtheit einer Urkunde Kaiser Arnulfs für Bischof Wiching durch Pilgrim erwiesen. Natürlich widersprach man, ohne widerlegen zu können. Auch als eine Generation später K. Uhlirz, gestützt auf die Edition der karolingischen und sächsischen Kaiserurkunden, die Fälschungen zu Passau erneut erhärtete, protestierte man abermals. Um den »berühmten Bischof« (Heuwieser) zu entlasten, war man sogar bereit, andere, minder »berühmte« Prälaten zu bezichtigen, wie Wiching oder die im ausgehenden 12. Jahrhundert

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