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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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brandschatzten, mordeten, schleppten Geiseln, Gefangene fort, ja annektierten ganze Landstriche. Und
nur auf diese
sehr ungarnanaloge
blutig-räuberische Weise
wurden die Franken, die Deutschen, wie Majestät sich brüstet, »die Herren fast ganz Europas«. Der Hauptunterschied ist lediglich papierener, historiographischer Natur, besteht bloß in einer kolossalen Heuchelei, schöner gesagt Verdrängung oder, wenn man so will, »vaterländischen« Verranntheit (bis heute »zeitgeschichtlich bedingt«!), besteht bloß darin, daß die christliche Geschichtsschreibung ihre (paganen) Antagonisten – die Ungarn hier einmal nur pars pro toto genommen – stets rundum verteufelt, zum Abschaum schlechthin macht, während sie die doch nicht anders (in doppelter Wortbedeutung) draufgehenden eigenen Teufel als strahlende Sieger hinstellt, edle Ritter, Helden, und das Ganze, euphemistisch bemäntelnd, nein, einfach ekelhaft glorifizierend, als Missionierung rühmt, Christianisierung, Verbreitung der Kultur!
    Kurz vor dem Eintreffen des deutschen Entsatzheeres lösten die Ungarn ihre Umklammerung Augsburgs und es kam am 10. August 955 in den Lechniederungen vor der Stadt zu einem gewaltigen Abschlachten. Dabei teilten sich die fremden Reiterscharen in einem unerwarteten Manöver. Sie überschritten den Lech, umgingen das gegnerische Heer und griffen nach einem Pfeilregen von hinten an, die wohltrainierten tschechischen Truppen zuerst, die dabei – »besser mit Rüstungen als mit Glück versehen« (Widukind) – besonders aufgerieben, die schwäbischen, die in die Flucht geschlagen wurden.
    Es stand schlecht um die Deutschen, bis die Attacke der gut geschulten fränkischen Reiter unter Konrad dem Roten (S. 426), der zuletzt noch selbst (da er in der Hitze des Gefechts die Bänder seines Panzers löste) von einem Pfeil durch die Kehle getroffen, fiel, das Blatt wendete und das Hauptheer um den König, die »Auserlesenen aus allen Tausenden der Streiter« (Widukind), den Sieg herbeimordete. Oder wie es voller unbegrenztem Gottvertrauen in der »Vita S. Oudalrici« heißt: »Im gegenseitigen Gemetzel fielen die Krieger auf beiden Seiten, und es starben, denen von Gott bestimmt war zu sterben. Dann aber wurde von Gott, dem nichts unmöglich ist, der glorreiche Sieg dem König Otto verliehen. Das Heer der Ungarn wandte sich zur Flucht und hatte nicht mehr die Kraft zu kämpfen. Und obwohl eine unglaublich große Zahl von ihnen erschlagen worden war, blieb dennoch eine so große Menge von ihnen übrig, daß die, welche sie von den Bollwerken der Stadt Augsburg aus herankommen sahen, glaubten, sie kämen nicht als Besiegte, bis sie erkannten, daß sie an der Stadt vorüberjagten und in höchster Eile das andere Ufer des Lechs zu erreichen suchten.« 23
    Die Schlacht auf dem Lechfeld, angeblich die größte des 10. Jahrhunderts, am Fest des hl. Laurentius, des großen »Sieghelfers gegen die Ungarn« (Weinrich), wurde mit Hilfe des Himmels eingeleitet und beendet. Auch mit einem Gelübde Ottos gegenüber dem »Feuersieger«, dem Tagesheiligen (neue große »Missionspläne« im Osten), Stiftung des Bistums Merseburg. Und danach Dankgottesdienste im ganzen Reich: »dem höchsten Gott Preis und würdige Lobgesänge in allen Kirchen« (Widukind). Man hatte unter dem Reichsbanner, dem Feldzeichen des hl. Michael, gefochten, unterstützt auch von den Truppen des hl. Ulrich – »Ulrichsreliquien waren lange Zeit sehr gefragt« (Zoepfl). Nicht zu vergessen die stimulierende Wirkung der hl. Lanze, die Otto in der Schlacht trug. So siegten angeblich 20000 Deutsche über 120000 Ungarn, die man freilich auch bei dem großen Triumph seines Vaters 933 an der Unstrut, auch 943 bei Wels an der Traun, 948 bei Floß am Entenbühl und 950 in Italien am Tessin aufs Haupt geschlagen hatte, allerdings selbst da noch immer in der Defensive stehend.
    Das Lechfeldgemetzel aber wird oft als besondere Leistung »strategischer Kunst« (Erben) gerühmt, zumal es, wie Mönch Widukind, vielleicht ein Nachfahre des gleichnamigen Sachsenherzogs, scheinbar unschuldig schreibt, »nicht gerade unblutig war«. Noch am selben und nächsten Tag verfolgte der König im Blut- und Siegesrausch die überlebenden Ungarn und, so der Augsburger Dompropst Gerhard, »machte nieder, was er erreichen konnte«. Man jagte die Fliehenden in den Lech, man verbrannte sie samt den Höfen, worin sie sich verbargen, gelegentlich mit ganzen Dörfern der Gegend. Kurz, man ersäufte, zündete an,

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