Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
zahlreiche Schenkungen zu erhalten, und endlich, wonach sein ganzes Sinnen und Trachten stand, Erzbischof von Magdeburg (981–1004) zu werden. Dies freilich kraft kirchenrechtlicher Bestimmungen erst nach Auflösung des Merseburger Bistums; der Grund, warum Thietmar von Merseburg ihn so haßte, zumal Giselher bei seinem unbändigen Verlangen nach mehr Ansehen, höheren Würden und größerer Wirkung vor wenig zurückschreckte.
So soll er beim Verfolgen seines Zieles selbst den hl. Laurentius beraubt, alle Fürsten und die römische Kurie mit gewaltigen Geldern bestochen und vom Papst enorme Privilegien bekommen haben, darunter das ungewöhnliche Recht, Kardinalpriester, Kardinaldiakone und -subdiakone weihen zu dürfen, wessen sich sonst bloß eine einzige Diözese (Trier) rühmen konnte, wenn auch nur aufgrund einer Fälschung. Und Erzbischof Giselher von Magdeburg (oder ein Komplice von ihm) fälschte ebenfalls, fälschte, als er sich durch die Gründung des Erzbistums Gnesen mit Recht um seinen Einfluß bedroht sah, ein Papstprivileg für den früheren Erzbischof Adalbert von Magdeburg, worin dessen Bistum der Primat in der »Germania« verliehen und außerdem das Recht auf 12 Kardinalpriester, 7 Kardinaldiakone und 24 Kardinalssubdiakone zuerkannt wurde – Übertreibungen, die sofort unglaubwürdig erscheinen mußten, weshalb die Fälschung auch erfolglos blieb.
Doch ergatterte Giselher entgegen den Verfügungen einer päpstlichen Synode vom September 981 andere bemerkenswerte Vorteile, u.a. die bischöflichen Rechte über sieben, zumeist von heidnischen Slawen besiedelte Burgwarde, womit er den Nordteil des aufgelösten Merseburger Bistums bekam. Er erhielt zwei Eigenklöster, das Kloster Pöhlde und die Merseburger Laurentius-Abtei, beide mit beträchtlichem Grundbesitz. Otto II., der schon dem Merseburger Bischof Giselher 974 den riesigen Forst im Gau Chutizi, einen der größten Waldkomplexe Deutschlands, geschenkt hatte, gab ihm nun auch die Burg Kohren (bei Altenburg) sowie den vordem Merseburg verliehenen Königshof Prießnitz (bei Borna). Dazu riß der Erzbischof offenbar weitere einst merseburgische Liegenschaften an sich, insgesamt »ohne Zweifel den wertvollsten Teil des ehemaligen Merseburger Ausstattungsgutes« (Claude).
Um sein – vom Kaiser gelegentlich gedecktes – Vorgehen zu beschönigen und ursprüngliches Recht zu vertuschen, beseitigte Giselher anscheinend allerlei Aktenkundiges. Zumindest behauptet Bischof Thietmar: »Urkunden, die königliche oder kaiserliche Schenkungen enthielten, verbrannte er im Feuer oder ließ sie durch Veränderung des Empfängers seiner Kirche zuschreiben.« Die Mediävistik bemerkte in diesem Zusammenhang, daß die meisten Merseburger Urkunden von Erzbischof Giselher zwar nach Magdeburg mitgenommen, bei der Wiederherstellung Merseburgs aber nicht zurückgegeben wurden. »Fälschung und Vernichtung weiterer Dokumente sind durchaus möglich« (Claude).
Da Giselher nicht nur sehr karriere- und besitzsüchtig war, sondern auch die Reichsgrenze bloß eine Tagesreise von seiner Residenz entfernt verlief, wird gerade seine Aktivität bei den kaum noch abreißenden Kriegen im Osten verständlich. Mit schöner Regelmäßigkeit melden die Quellen, daß Jahr um Jahr »mit Feuer und Schwert« (incendiis et caedibus) das ganze Slawenland (totam terram) verwüstet worden sei, wobei man die Mordbrennerei sinnigerweise gern zum »üblichen Termine« (Böhmer) eröffnete, an Mariä Himmelfahrt. 14
Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen
Offensichtlich bestimmt von der gegenwärtigen Geschichtskonstellation, spielt zumindest ein Teil der deutschen Mediävistik diesen fortgesetzten Terror im Osten sehr dezent herunter. So erwähnt Eduard Hlawitschka in seinem »Studienbuch« (!) bei Gelegenheit von Theophanus Ostpolitik gerade knapp, daß die Sachsen »wiederholt die Elbslawen angriffen«, zur Regentschaft Adelheids, ebenfalls in einer halben Zeile, »Kämpfe gegen die Liutizen und Abodriten 991–995«, und Otto III. selbst führt wider die Rebellen »im Sommer 997 nur zwei kurze Feldzüge«.
In Wirklichkeit geht es um einen fast vierzehnjährigen Dauerkrieg, bei dem das Reich, eine neue Ostpolitik einleitend, sich jetzt auch mit den Polen unter Mieszko verband, was den Vorteil hatte, daß man die Liutizen von zwei Seiten, von Westen und Osten, in die Zange nehmen oder sie auch vereint gemeinsam angreifen konnte. (Der Name »Liutizen« trat im Lauf des 10.
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